Bibelwissenschaftler: Plädoyer für mehr Fokus auf biblische Hymnen
Biblische Hymnen sind wie "Fenster nach oben, die den Blick im Bibeltext freigeben für den Gott Israels": Mit diesem Bild hat der deutsche Theologe und Bibelwissenschaftler P. Simeon Gloger für eine intensivere Befassung mit Lobgesängen im Alten Testament plädiert. Der Bibliothekar, Organist und Kantor der benediktinischen Dormitio-Abtei in Jerusalem strich auch die Wirkung poetischer und narrativer Bibeltexte auf lesende und hörende Menschen hervor. Gloger sprach am Dienstag bei der elften "Ulrich Winkler Lecture" an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Salzburg.
Poetische Texte in der Bibel seien in einer Geschichte eingebunden. Die Aufmerksamkeit solle neben den Handlungen darum auch auf die Hymnen selbst gelegt werden, meinte der Studierendenseelsorger für das ökumenische theologische Studienjahr in Jerusalem.
P. Gloger gab in Salzburg zudem einen Einblick in sein Dissertationsprojekt "Der Lobgesang der drei Jünglinge im Feuerofen". Dabei handelt es sich um einen bekannten Bibeltext aus dem Buch Daniel, der auch künstlerisch verarbeitet wurde, etwa in Literatur, Musik und Malerei. In seinem Vortrag wies er darauf hin, dass der Text regelrecht aufgeladen sei mit Kultvokabular, mit den Fragen von Macht und Ohnmacht und mit der Frage nach Identität. Die Geschichte von den drei Männern im Feuerofen erzähle von einer wundersamen Rettung durch Gottes Eingreifen und sei eine der bekanntesten Erzählungen im Danielbuch, mit einer unglaublichen Rezeptions- und Wirkungsgeschichte, so der Theologe.
Bisher sei dieser Teil des Buches Daniel in der griechischen Fassung rein philologisch, also sprachwissenschaftlich, betrachtet worden, meinte P. Gloger. Das Buch Daniel jedoch als Teil des biblischen Kanons und theologisch als Gesamtwerk zu betrachten, sei Neuland. So werde der Lobgesang als "Psalm außerhalb des Psalmenbuches" häufig gesungen, seine Einbettung in gesamte Bibel werde jedoch selten betrachtet.
"Ulrich Winkler Lectures"
Die "Ulrich Winkler Lectures" sind eine Vortragsreihe im Gedenken an den verstorbenen Salzburger Dogmatiker Ulrich Winkler (1961-2021). Er war Professor am Fachbereich für Systematische Theologie und Mitgründer des Zentrums für Theologie Interkulturell und Studium der Religionen.
Der Benediktiner P. Gloger und der 2021 verstorbenen Ulrich Winkler verbindet eine wissenschaftliche Bekanntschaft: So habe Winkler im Laufe seiner Zeit beim theologischen Studienjahr an der Dormitio-Abtei (2016-2019) P. Gloger immer wieder ermutigt, in diese wissenschaftlich-exegetische Richtung weiterzugehen, erzählte dieser beim Vortrag. In Winklers drei Jerusalemer Jahren war der Benediktiner Studierendenseelsorger und Mitglied der Studienleitung. Auf diese Weise habe er eng mit Winkler zusammengearbeitet.
Seine Forschungsschwerpunkte waren die Religionstheologie und die Komparative Theologie. Die Vorträge der "Ulrich Winkler Lectures" sollen am Ende der Reihe (2024) gesammelt in einem Buch der "Salzburger Theologischen Studien interkulturell" erscheinen. (Infos: www.plus.ac.at/ztkr/news-events-social-media/bthw2021/ulrich-winkler-lectures)
Quelle: kathpress