EU-Politiker mahnen mehr Kirchenengagement in Europa ein
Für Othmar Karas, Vizepräsident des Europäischen Parlaments, bringen sich die Kirchen und Religionen nach wie vor zu wenig in den politischen Dialog auf EU-Ebene ein. Das betonte er bei einem Gespräch mit Kathpress und weiteren österreichischen Journalisten in Brüssel. In ähnlicher Weise äußerte sich auch EU-Kommissar Johannes Hahn.
Demokratische Systeme, die Achtung der Würde jedes einzelnen Menschen, freie Medien oder eine unabhängige Justiz seien alles andere als Selbstverständlichkeiten. All dies müsse immer wieder aufs Neue erarbeitet bzw. bewahrt werden, so Karas. Für diesen demokratischen Diskurs und den nötigen gesellschaftlichen Zusammenhalt brauche es ganz dringend auch den Beitrag der Kirchen und Religionen, mahnte der Parlamentsvizepräsident.
Die anstehende EU-Wahl im Juni, bei der Karas nicht mehr kandidieren wird, ist seiner Meinung nach eine Richtungsentscheidung, "wie es sie seit 1945 nicht mehr gegeben hat". Die grundsätzliche politische Auseinandersetzung, die innerhalb und außerhalb der EU geführt wird, fasste Karas mit den Worten "Autokratie versus Demokratie" zusammen. "Wer, wenn nicht die EU wird die Fahne der Demokratie in der Welt hochhalten und dafür einstehen"; u.a. auch mit einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, so der EU-Politiker. Die EU laufe aber Gefahr, global gesehen politisch und wirtschaftlich immer mehr ins Hintertreffen zu geraten und bald keine Rolle mehr zu spielen, wenn es nicht bald zu internen Reformen kommt.
Seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon 2009 gehört der strukturierte Dialog der EU-Institutionen mit den Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zum Vertragsrecht der EU und ist in Artikel 17 festgehalten. Dieser Dialog, für den vonseiten des EU-Parlaments Karas zuständig ist, werde auch geführt und sei zuletzt auch intensiviert worden, befand er. Doch dem Parlaments-Vize würde vorschweben, einen solchen Dialog auch viel stärker in den einzelnen Mitgliedsländern, ja hinunter gebrochen bis auf Bundesländer-Ebene bzw. Diözesen durchzuführen.
"Zustimmung zur Mitte"
EU-Kommissar Johannes Hahn rechnete im Gespräch mit den österreichischen Journalisten mit einem Rechtsruck bei der anstehenden EU-Wahl, er hoffe aber dennoch auf genügend starke "Zustimmung zur Mitte", um Wettbewerbsfähigkeit, Wohlstand und die Sicherheit Europas zu erhalten. Dabei maß auch Hahn den Kirchen eine zentrale Rolle und Aufgabe zu. Sie seien in gesellschaftlichen Fragen ein ganz zentraler Faktor. Hahn verwies auf die EU als Friedensprojekt. Und innerhalb dieses Friedensprojekts sei wiederum der soziale Friede eine immense Herausforderung, für deren Bewältigung es die Kirchen brauche.
Wie Karas wies auch Hahn darauf hin, dass das europäische Gesellschaftsmodell mit freier Demokratie und freier Marktwirtschaft ein "Minderheitenprogramm" sei. In der Mehrzahl der Staaten - bis zu 70 Prozent - seien "mehr oder minder autoritäre Regime" an der Macht.
Gute Zusammenarbeit mit Kirchen
Lukas Mandl, der dem Europäischen Parlament für die ÖVP seit 2017 angehört, äußerte sich ähnlich. Er wies im Journalistengespräch darauf hin, dass nur etwa 25 Prozent der Weltbevölkerung über demokratische Wahlrechte verfügten. Die europäische Zivilisation, die auf einem jüdisch-christlichen Erbe basiere, stehe unter großem Druck, von außen, aber auch von innen. Antikirchliche bzw. antireligiöse Ressentiments seien unter den EU-Abgeordneten weitverbreitet, trotzdem gelte es in Sachfragen mit allen guten Willens das Gespräch und die Zusammenarbeit zu suchen. Es brauche ein entschiedenes Auftreten gegen Extremismus, Spaltung und Hass, von welcher Seite auch immer.
Mandl bekannte sich zur grundsätzlichen Erweiterung der EU. Dafür brauche es zuerst aber einmal eine Reform der Institutionen. "Das Einstimmigkeitsprinzip ist ein Hemmschuh." Seine Vision der EU: "Mehr Stärke nach außen, mehr Freiheit nach innen."
Dankbar zeigte sich der Parlamentarier für die Zusammenarbeit mit den kirchlichen Organisationen in Brüssel wie der ComECE. Über die ComECE führen die katholischen Bischofskonferenzen der 27 Mitgliedstaaten den Dialog mit den EU-Institutionen. Die "Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft" (ComECE) wurde 1980 gegründet. Sie hat ihren Sitz in Brüssel.
Die österreichischen Journalisten waren dieser Tage gemeinsam mit "Europa-Bischof" Ägidius Zsifkovics in Brüssel. Auf dem Programm standen neben den politischen Gesprächen u.a. auch Begegnungen mit dem Generalsekretär der EU-Bischofskommission ComECE, Manuel Barrios, und dem Apostolischen Nuntius bei der EU, Noel Treanor.
Quelle: Kathpress