Transparenz im geheimsten Winkel des Vatikans
Die Revolution hat schon begonnen, als die Kardinalskommission zur Kurienreform sich am Dienstag gerade einmal zu ihrer ersten Zusammenkunft in der päpstlichen Privatbibliothek eingefunden hatte. Und das in einer Institution, die lange eher Sorgenkind als Vorzeigeschüler war: der sogenannten Vatikanbank (IOR). Das päpstliche Finanzinstitut veröffentlichte am Dienstagmorgen um acht Uhr auf seiner Internetseite erstmals in seiner rund 70-jährigen Geschichte einen Jahresbericht, der detailliert Auskunft gibt über seine Geschäftstätigkeit. Das wäre vor einiger Zeit noch so wahrscheinlich erschienen, wie ein Papst, der im Gästehaus wohnt. Aus dem Bericht geht unter anderem hervor, dass das IOR seinen Gewinn im Jahr 2012 auf 86,6 Millionen Euro mehr als vervierfacht hat.
Revolutionär sind weniger die veröffentlichten Zahlen im Einzelnen, als vielmehr der Umstand selbst. Das "Institut für die religiösen Werke", das immer wieder wegen angeblicher schwarzer Konten und Geldwäsche in die Schlagzeilen geriet und sich gegenüber der Öffentlichkeit bis vor kurzem hermetisch abschottete, wird zum Vorreiter der Transparenz.
Dieses Signal dürfte auch den Druck auf andere Kurienbehörden erhöhen, öffentlich Rechenschaft abzulegen. Zum Beispiel die Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls, die dessen jährlichen Haushalt sowie den des Vatikanstaats erstellt. In den vergangenen Jahren wurde diese Budgets der Öffentlichkeit auf nicht einmal zwei Seiten vorgestellt. Außer dem jeweiligen Gesamtvolumen und dem Überschuss oder Defizit wurde darin kaum eine weitere Zahl genannt.
Zu denken wäre auch an die Güterverwaltung des Heiligen Stuhls, bekannt unter dem Kürzel "Apsa", die unter anderem einen großen Teil des vatikanischen Immobilienbesitzes verwaltet. Und die, wie jüngste Aussagen ihres früheren verhafteten Oberbuchhalters Nunzio Scarano offenbarten, anscheinend ebenfalls Geld für Dritte angelegt hat.
Auch die vatikanische Missionskongregation wäre an dieser Stelle zu nennen, die ebenfalls über beträchtlichen Immobilienbesitz verfügt. Offizielle Zahlen zu diesen Vermögenswerten gibt es bis heute nicht. Die "Apsa" und die Missionskongregation sollen jedoch zu den größten Immobiliensteuerzahlern Roms gehören.
Dem Vernehmen nach sollen die vatikanischen Finanzinstitutionen zwar während der ersten Zusammenkunft der Kardinalskommission nicht Gesprächsthema sein. Es gilt jedoch als wahrscheinlich, dass IOR, "Apsa" und Co. zu einem späteren Zeitpunkt vom Papst mit den Kardinälen erörtert werden. Zuvor dürfte Franziskus die Berichte der zwei Kommissionen abwarten, die er zur Berichterstattung über das IOR und die sonstigen Finanzinstitutionen eingesetzt hat.
Welches Ausmaß die Aufräumarbeiten haben, die gegenwärtig im IOR im Gange sind, ließ ein unbestätigter Bericht der Tageszeitung "Corriere della Sera" erahnen, der ebenfalls am Dienstag veröffentlicht wurde. Demnach soll das IOR 900 seiner bislang rund 19.000 Kunden aufgefordert haben, ihr Konto bei dem Finanzinstitut zu kündigen. Die Angeschriebenen erfüllen laut "Corriere della Sera" nicht das strenge Anforderungsprofil des Hauses oder führen Konten, auf denen verdächtige Transaktionen registriert wurden.
Das IOR wollte den Bericht weder bestätigen noch dementieren: "Wir kommentieren unsere Kundenbeziehungen grundsätzlich nicht", sagte ein Sprecher am Dienstag. Zugleich wies er jedoch darauf hin, dass die Überprüfung der Konten durch die Kontrolleure der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft "Promontory" voll im Plan sei. Seit Mitte Mai wurden bislang rund 4.000 Konten von den unabhängigen Wirtschaftsprüfern kontrolliert.
Was aus dem IOR in Zukunft wird, ist offen. Papst Franziskus bekannte Ende Juli, er wisse noch nicht, ob es in seiner gegenwärtigen Form fortbestehen, in einen Sozialfonds umgewandelt oder ganz abgeschafft werde.
Was das IOR derzeit ist, beschreibt dessen Aufsichtsratsvorsitzender, Ernst von Freyberg, im Jahresbericht so: Es handle sich um "eine konservativ geführte Finanzinstitution der katholischen Kirche, die ihr hilft, das Wort Gottes in der ganzen Welt zu verbreiten".
Quelle: Kathpress