
18. Dezember
Bildung verbindet Kulturen
18. Dezember
Bildung verbindet Kulturen
Es war einmal … So fangen bei uns gewöhnlich alle Märchen an. Und wie Märchen erscheinen mir viele meiner Erlebnisse mit den Gästen (die Bezeichnung Schülerin* erweckt falsche Vorstellungen) im OLC (Open Learning Center) – in welchem ich als Betreuer letzte Woche zum – Moment bitte, ich sehe kurz nach – ja, zum 359. Mal meine bescheidene Hilfe anbot.
Am Anfang gab es eine „afghanische Phase“. Da brauchten vor allem afghanische Frauen (Männer waren hier in der Minderzahl) Hilfe. Wobei? Erraten – in Deutsch natürlich. Mit einem besonders engagierten, gescheiten und sprachkundigen Mädchen entwickelte sich zu jener Zeit eine für beide Seiten fruchtbare Zusammenarbeit. Denn ich lernte eine ganze Menge über Kultur, Sitten und Religion einer für mich völlig fremden Welt.

Und kam auf die Idee: Ich lerne Persisch. Aus zwei Gründen. Erstens: Wenn ich eine für uns so exotische Sprache (und Schrift!) lerne, erfahre ich am eigenen Leib, wie schwer es für die meisten lernbegierigen Gäste des OLC sein muss, unsere Sprache Deutsch zu erlernen. Zweitens aber: Ich kann mit „meiner“ afghanischen Lernenden in ihrer Muttersprache Worte wechseln!
Gesagt, getan! Ein Lehrbuch mit 81 Kapiteln und CDs mit den gesprochenen Texten durchgeackert, schon brav ein bisschen herumgestottert, und … oje. Nach geschaffter „Vorwissenschaftlicher Arbeit“ in Deutsch übersiedelte die afghanische Familie nach Wien – und ließ einen traurigen Tutor im OLC zurück.
Dem aber nicht viel Zeit zur Trauer blieb. Denn eine junge Palästinenserin benötigte Hilfe im OLC. Nicht vorrangig in Deutsch, denn sie sprach und spricht unsere Sprache hervorragend, sondern beim Thema ihrer Diplomarbeit.
Der Lerneifer, der Fleiß und die Intelligenz – ganz zu schweigen von der persönlichen Ausstrahlung der jungen Frau – faszinierten mich so, dass ich einen Entschluss fasste: Arabisch zu lernen! Gesagt, getan.
Leider – aber nein! – natürlich schaffte das palästinensische „Wunderkind“ den Schulabschluss und stürzte sich auf eine Spezialausbildung in Graz und Wien in dem wahnsinnig spannenden (ha, ha!) Fach Personalverrechnung. Und verließ das OLC.
Daraufhin kam eine junge Frau in den Lernraum. Sie wollte nach zwei gescheiterten Versuchen die schriftliche Matura in Deutsch und Rechnungswesen doch noch ein letztes Mal in Angriff nehmen – mit ein bisschen Unterstützung durch das OLC. Als ehemaliger Betriebswirt und jetziger Buchautor (daher meine Deutsch-Begeisterung) fiel die Wahl auf mich. Und wir lernten und lernten. Noch schien es mir etwas zu früh, um schon beim nächsten Deutschtermin anzutreten. Aber die junge Muslimin preschte vor.
Um es kurz zu machen: Einer der nettesten Menschen mit einem Herzen aus purem Gold ist nun stolze Besitzerin eines Reifezeugnisses in Deutsch und Rechnungswesen! Märchen gehen ja fast immer gut aus!
Oh, jetzt habe ich es doch fast vergessen: Sie ist Türkin. Himmel – jetzt muss ich auch noch Türkisch lernen!