Missbrauch in Tiroler Heimen:
Kommission weitet Untersuchung aus
Missbrauch in Tiroler Heimen:
Kommission weitet Untersuchung aus
Die vom Land Tirol und von der Diözese Innsbruck mit der Aufarbeitung der Missbrauchsvorwürfe gegen das frühere Mädchenheim Martinsbühel in Zirl betraute Kommission hat ihre Arbeit ausgeweitet. Demnach sollen alle nicht-öffentlichen und konfessionellen Heime untersucht und in eine systemische Zusammenschau eingebunden werden, wie das Land Tirol und die Diözese Innsbruck am Freitag mitteilten. Die Entscheidung wird von der Diözese Innsbruck ausdrücklich unterstützt: "Mit dieser ausführlichen Zusammenschau kann ein für alle Beteiligten herausforderndes und mit einem deutlichen Versagen belastetes Kapitel Tiroler Landes- und Kirchengeschichte zumindest zu einem vorläufigen Abschluss gebracht werden", hielt der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler fest.
"Gerade weil es bei der Aufarbeitung der Vorkommnisse in Martinsbühel um die Beleuchtung jener Strukturen geht, die solche Geschehnisse überhaupt erst ermöglichen, sind wir mit der Kommission übereingekommen, alle nicht öffentlichen und konfessionellen Heime in einer Gesamtschau darzustellen, die in der bisherigen, vom Land Tirol bzw. den Ländern Tirol und Vorarlberg finanzierten Aufarbeitung der Jugendfürsorge und Heimerziehung nicht berücksichtigt wurden", erklärten Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP), Landesrätin Gabriele Fischer (Grüne) und Bischof Glettler unisono. Für die Erweiterung des Arbeitsauftrages werden vom Land Tirol und der Diözese Innsbruck zusätzliche Finanzmittel in der Höhe von je 125.000 Euro zur Verfügung gestellt.
Durch die Ausweitung der Untersuchungen soll eine "systematische Zusammenschau" ermöglicht werden, was in den unterschiedlichen Tiroler Erziehungs- und Pflegeheimen vorgefallen ist, wer für die Zuweisung, Begleitung und Kontrolle verantwortlich war und vor allem, unter welchen Bedingungen in den entsprechenden Institutionen gearbeitet werden musste, hieß es im am Freitag ebenfalls veröffentlichen Zwischenbericht der Dreierkommission. Neben dem Mädchenheim Martinsbühel wird die Dreierkommission das Erziehungsheim Scharnitz (Benediktinerinnen von Scharnitz/Mutterkloster Melchtal; geschlossen 2011), die Bubenburg St. Josef in Fügen (Seraphisches Liebeswerk/Kapuziner), das Haus St. Josef in Mils (Seraphisches Liebeswerk/Kapuziner) und das Josefinum in Volders (Kreuzschwestern bis 1963) miteinbeziehen.
Im Zwischenbericht hieß es außerdem, dass mittlerweile Einsicht in die noch vorhandenen Überlieferungen des Heimes Martinsbühel genommen werden konnte. Darüber hinaus sei Kontakt mit dem Mutterkloster der Benediktinerinnen in der Schweiz aufgenommen worden. In einer offiziellen Stellungnahme dieser für die ehemaligen Schwestern von Martinsbühel und Scharnitz Verantwortlichen, die Bischof Glettler vorliege, sei der Kommission die volle Unterstützung für ihre Arbeit zugesichert worden. Außerdem bat die aktuell zuständige Oberin des Frauenklosters Melchtal um Entschuldigung für die Vorfälle in den Heimen.
Kommission seit Februar tätig
Die Mitglieder der "Dreier-Kommission" wurden in enger Abstimmung zwischen Land, Diözese und Orden Anfang Februar bestellt. Neben der Psychotherapeutin und Supervisorin Margret Aull, die den Vorsitz übernahm, wurden auch der Tiroler Historiker Dirk Rupnow, die Kinder- und Jugendanwältin Elisabeth Harasser, der Leiter des Diözesanarchivs Martin Kapferer, der Vorsitzende der unabhängigen Diözesankommission für Opferschutz, Eckart Rainer, sowie die Pädagogin Judit Nötstaller in die Kommission aufgenommen.
Die Kommission ersetzt nicht die bisherigen staatlichen und kirchlichen Anlaufstellen für Betroffene, arbeitet jedoch mit diesen zusammen. Ziel ist die Rekonstruktion und Analyse historisch-struktureller Zusammenhänge. Auf Grundlage der Erkenntnisse will die Kommission weiterführende Empfehlungen zur Prävention und Verhinderung von Missbrauchsfällen erarbeiten. Die Mitglieder der Kommission sind bei der Ausübung ihrer Tätigkeit der Verschwiegenheit verpflichtet.
Quelle: Kathpress