30-Jahr-Gedenken
"Für El Salvador sind die Märtyrer noch lebendig"
30-Jahr-Gedenken
"Für El Salvador sind die Märtyrer noch lebendig"
30 Jahre nach der Ermordung von sechs Jesuiten und zwei Frauen an der Zentralamerikanischen Universität (UCA) im November 1989 durch die Armee in El Salvador, erinnert die Universität Innsbruck in der kommenden Woche mit einer Gedenkveranstaltung an die Bluttat. Unter dem Titel "Universität mitten im Leben. Inspirationen aus El Salvador" steht dabei am 18. und 19. November die Frage im Mittelpunkt, wie Universität und Jesuitenkommunität auch heute ihre soziale Verantwortung wahrnehmen können.
"Für El Salvador sind die Märtyrer noch lebendig", erklärte der Jesuit Martin Maier im "Kathpress"-Interview am Freitag. Die 1989 ermordeten Befreiungstheologen - zwei von ihnen hatten in Innsbruck Theologie studiert und waren in Österreich zu Priestern geweiht worden - stünden stellvertretend für alle, die während des Bürgerkriegs "im Namen der Gerechtigkeit" gestorben sind.
Dass die Erinnerung an die ermordeten Jesuiten und Frauen lebendig ist, zeigt sich laut Maier etwa daran, dass sich zum Jahrestag der Tat - in der Nacht vom 15. auf den 16. November - jedes Jahr Tausende auf dem Campus der Zentralamerikanischen Universität in San Salvador versammeln. Auch gebe es Nachtwachen oder Theaterstücke über die Ereignisse. Die Erinnerung an die Ermordeten sei mehr als ein "Zurückschauen, sondern ein Auftrag für die Gegenwart", stellte der UCA-Gastdozent fest, der am 18. November im Rahmen der Gedenkfeier einen Vortrag in Innsbruck hält.
Als größte Herausforderungen des mittelamerikanischen Landes bezeichnete Maier Korruption, die Bandenkriminalität der sogenannten "Maras", die hohe Mordrate und die Emigration in Richtung USA. Mehr als 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen aus Geldüberweisungen von in den USA lebenden Exil-Salvadorianer stammen. "Das Land hängt am Tropf der Gelder", was laut Maier aber bald ein Ende haben könnte, da die Trump-Regierung die Ausweisung von einer Million Salvadorianer angekündigt habe. Die Folgen wären fatal, warnte der Jesuit, da die Exil-Salvadorianer nach ihrer Ausweisung in ihrem Heimatland weder eine Perspektive noch familiären Anschluss hätten.
Die fehlende Perspektive sei es auch, die junge Menschen zu den Jugendbanden treibe, die ganze Stadtviertel kontrollieren und Schutzgelder erpressen. Die Politik hätte darauf mit Gewalt von Seiten der Polizei und des Militärs geantwortet, "ohne Erfolg", wie der Beauftragte für Europäische Angelegenheiten im Jesuit European Social Centre (JESC) in Brüssel meinte.
Kritik übte Maier im Kathpress-Interview auch an der juristischen "Nicht-Aufarbeitung" des Verbrechens von 1989, das bis heute auf Aufklärung wartet. Zwar läuft aktuell ein Gerichtsverfahren gegen einen Militärangehörigen in Spanien, der in Verbindung mit der Bluttat stehen soll; in El Salvador selbst gebe es bis heute aber keine juristischen Konsequenzen für die Täter, so Maier. Grund dafür sei das Generalamnestie-Gesetz aus dem Jahr 1993, das eine Verfolgung der Täter weitgehend verhindere. "Verbrechen gegen die Menschlichkeit können aber nicht unter eine Amnestie fallen", mahnte der Jesuit.
Hoffnung in dem südamerikanischen Land gebe aktuell der im Vorjahr neu gewählte Präsident Nayib Bukele, der keiner etablierten Partei zugeordnet werden könne. Die Bevölkerung erwarte sich von dem 38-jährigen Politiker große Veränderungen. Seine Wahl zeige die große Enttäuschung der Menschen über das, was in den vergangenen Jahren im Land "geschehen oder nicht geschehen ist".
Die jüngste Heiligsprechung des am 24. März 1980 ermordeten Erzbischofs Oscar Arnulfo Romero sei ein positives Zeichen für die Bevölkerung gewesen. Die Predigten und Hirtenbriefe des Bischofs, den Maier als "Propheten der Hoffnung" bezeichnete, seien seitdem wieder "brandaktuell". Und weiter: "Das was Romero damals sagte, gilt teilweise auch heute noch."
Gedenkveranstaltung in Innsbruck
Die Gedenkveranstaltung in Innsbruck wird am Montag, 18. November, mit einer Andacht in der Krypta der Jesuitenkirche eröffnet. Anschließend findet im Madonnensaal der Theologischen Fakultät (Karl-Rahner-Platz 3) ein Vortrag von Martin Maier SJ zu "Propheten unserer Zeit - Auftrag für heute. Leben und Einsatz der Jesuiten in El Salvador" statt. Suyapa Pérez Escapini, Professorin für lateinamerikanische Theologie an der UCA in San Salvador, spricht danach über das Thema "Universität mit sozialer Verantwortung. Theorie und Praxis der Jesuitenuniversität in El Salvador".
Tag zwei der Veranstaltung nimmt den sozialen Auftrag von Wissenschaft und Forschung in den Blick und fragt in Workshops nach Perspektiven und Visionen. Die Impulse dazu liefert neben Maier und Pérez Escapini u.a. Wilhelm Guggenberger vom Innsbrucker Institut für Systematische Theologie.
Die Universität Innsbruck hat eine besondere Beziehung zu zwei der vor 30 Jahren ermordeten Geistlichen: Der damaligen Rektor der UCA, Ignacio Ellacuría, und der Obere der Jesuitenkommunität, Segundo Montes, studierten beide in Innsbruck Theologie und wurden dort zu Priestern geweiht. Laut Organisatoren der Gedenkveranstaltung - darunter die Theologische Fakultät der Universität Innsbruck, das Welthaus der Diözese Innsbruck und die Hilfsorganisation "Bruder und Schwester in Not" - zeichnete sich die UCA "für einen kompromisslosen Einsatz für die Menschenrechte im Bürgerkrieg von El Salvador aus".
Quelle: Kathpress