Sporschill: Integration der Roma in Gesellschaft kann gelingen
Der Jesuit Georg Sporschill hat in einem "Kathpress"-Interview am Wochenende in Sibiu (Hermannstadt) die starke Dynamik bei der Integration der Roma in die rumänische Gesellschaft betont: "Die Zeit arbeitet für sie. Die Rumänen sind alt, viele sind weggezogen oder haben keine Kinder." Auf dem Gebiet der Musik und der Kunst gebe es viele Roma-Karrieren, doch mittlerweile studierten auch eine Reihe von ihnen etwa Ökonomie oder technische Fächer, so Sporschill. Anlass des Gesprächs war die Einweihung des fünften "Elijah"-Sozialzentrums im transsylvanischen Harbachtal. Es handelt sich um das "Centru Social 'Casa' Martin'" in Nou (Neudorf).
2012 kam die deutschen Religionspädagogin Ruth Zenkert in die Gegend von Sibiu, um sich für verarmte und verwahrloste Roma-Familien einzusetzen. Der von ihr und P. Sporschill gegründete Verein "Elijah" ist mittlerweile in fünf Dörfern in der weiteren Umgebung von Sibiu tätig. Es gibt zahlreiche Sozialzentren, Musikschulen, Lehrwerkstätten und Arztpraxen. In Sibiu wurde zudem vor Kurzem ein Schülerwohnheim errichtet. Eine Journalistengruppe aus Österreich war zu der Eröffnung der "Casa Martin" eingeladen worden.
Der Bürgermeister von Nou, David Ioan, sprach bei der Einweihung der "Casa Martin" von einem "Geschenk Gottes" für die Armen im Ort, wo 90 Prozent der Einwohner Roma sind. Früher habe es 240 Sozialhilfeempfänger im Ort gegeben, jetzt nur mehr 15, erzählte der Bürgermeister.
Die "Casa Martin" entstand im früheren evangelischen Pfarrhaus der Siedlung, in der einst Siebenbürger Sachsen wohnten. Das Gebäude wurde revitalisiert und ausgebaut. Im Sozialzentrum werden Kinder aller Altersstufen betreut. Die Schulkinder bekommen täglich eine warme Mahlzeit, sie können sich waschen und ihre Hausaufgaben machen. Zusätzlich gibt es in der "Casa Martin" auch eine Krabbelstube für die Kleinsten. Das macht es den Müttern leichter, einen Beruf zu ergreifen und in die zahlreichen Fabriken des nahe gelegenen Sibiu zu pendeln.
Förderung von Begabungen
Zwar seien die Probleme immer noch "riesengroß", so der Bürgermeister weiter, doch seit "Elijah" in Nou tätig ist, sei die Gemeinde viel sauberer und schöner geworden. Die Menschen würden nicht mehr so viel Mist auf die Straße werfen, die Eltern seien entlastet, und sie könnten fixe Arbeitsplätze in der nahen Bezirksstadt annehmen. Stolz zeigte sich Ioan nicht zuletzt über die "vielen Begabungen" im Bereich der Musik, die von den "Elijah"-Musiklehrern entdeckt und gefördert würden.
Die "Elijah-Musikschule 'Casa Thomas'" in Nou wird von 150 Kindern und Jugendlichen besucht. Die Instrumente, darunter Saxophon, Klarinette, Akkordeon und Schlagzeug, werden ihnen zur Verfügung gestellt. Insgesamt beschäftigt "Elijah" 20 Musiklehrer, weitere 40 Mitarbeiter, die bezahlt werden - mehrheitlich Roma -, lehren in den berufsbildenden Betrieben, kümmern sich als Sozialarbeiter um die Roma oder halten die vielen Einrichtungen instand.
Der "Elijah"-Trägerverein unterhält eine Tischlerei, eine Gärtnerei, eine Landwirtschaft, eine Hauswirtschaftschule, eine Bäckerei, eine Weberei, einen Bauhof und eine Keramikwerkstatt. Die eigene Gärtnerei versorgt alle "Elijah"-Einrichtungen mit frischem Gemüse, die Möbel der Einrichtungen werden in der eigenen Tischlerei gefertigt. Weiters wurden im Dorf Nocrich die armseligen Hütten in der Roma-Siedlung durch neue, wetterfeste Häuser ersetzt. Zu den 60 fixen Mitarbeitern kommen auch noch rund 20 Volontäre. Die Administration des Hilfswerks liegt in den Händen von Ruth Zenkert.
"Mit den Roma mitleben"
"Elijah" habe sich zum Ziel gesetzt, der Roma-Bevölkerung beizustehen und zu versuchen, "wie wir zusammenleben können, wie wir sie und wie sie uns annehmen können", so Sporschill: "Das ist ein ungelöstes Problem in Europa. Aber ich würde es nicht aushalten, wenn nur über Roma geredet wird. Ich will einfach mitleben", betonte der Ordensmann.
Dass es gelinge, Kinder aus dem Slum in die Schule zu bringen, sei ein schwieriges, langfristiges Projekt mit vielen Hürden.
Aber es ist möglich. Die Eltern sind meistens Analphabeten, zuhause haben sie katastrophale Wohnverhältnisse in einer Hütte, wo man gar nicht glauben kann, dass solche Zustände in Europa herrschen. Und trotzdem schaffen es Kinder und Jugendliche durch eine kleine Unterstützung, da herauszukommen.
Neues "Elijah"-Buch erschienen
In der Sozialarbeit gibt es laut Sporschill "unglaublich viele Überraschungen, Gott sei Dank etwas mehr positive als negative". Der Jesuit hat dazu gemeinsam mit Ruth Zenkert ein neues Buch - "Mit Feuer vom Himmel" - verfasst, das dieser Tage im "Amalthea"-Verlag erschienen ist.
Georg Sporschill SJ, geboren 1946 in Feldkirch, studierte Theologie, Pädagogik und Psychologie. Mit 30 wurde er Jesuit. In den 1980er-Jahren gründete er zahlreiche soziale Werke in Wien. Ab 1991 baute er mit Ruth Zenkert Sozialprojekte für Straßenkinder in Rumänien, Moldawien und Bulgarien auf. 2012 gründeten sie das Projekt "Elijah".
(Infos: www.elijah.ro)
Quelle: kathpress