Appell an Regierung für Beobachtungsstelle gegen Antisemitismus
Österreich braucht eine Beobachtungsstelle gegen Antisemitismus, die am besten im Bundeskanzleramt angesiedelt wäre. Mit diesem Anliegen hat sich der Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit mit einem Brief am Donnerstag an Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein gewandt. Der Präsident dieses interreligiösen Gremiums, der Wiener Theologe Martin Jäggle, unterstrich den Vorschlag mit jüngsten Äußerungen der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Antisemitismus als "Gift" für die europäische Gemeinschaft bezeichnet hatte. Der Kampf gegen Antisemitismus müsse auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene geführt werden.
Ausgearbeitet wurde die Idee für eine Beobachtungsstelle gegen Antisemitismus vom hochkarätig besetzten Beirat des Koordinierungsausschusses; ihm gehören u.a. der Vorsitzende der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs, Altabt Christian Haidinger, die Direktorin des Jüdischen Museums Wien, Danielle Spera, Ex-Nationalratspräsident Andreas Khol, Ex-Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny oder der Präsident von B'nai B'rith-Österreich, Victor Wagner, an. "Auch wenn die gegenwärtige Bundesregierung diesen Vorschlag nicht umsetzen kann, so könnte sie doch diesen Vorschlag würdigen", erhofft sich Jäggle Unterstützung der gegenwärtigen Bundeskanzlerin.
"Antisemitismus erhält wachsenden Raum in der Gesellschaft", verwies der Beirat des Koordinierungsausschusses auf mehrere besorgniserregende Studien in der EU und auch in Österreich. Wie dringend Maßnahmen dagegen geboten seien, zeigten Vorfälle wie etwa die "Liederbuchaffären" oder die Vandalenakte gegen die öffentliche Ausstellung "Gegen das Vergessen" an der Wiener Ringstraße. "Dass in Österreich bislang keine Attacken gegen Leib und Leben zu registrieren sind, ist nur ein schwacher Trost", heißt es in dem Schreiben an Bierlein. Deshalb greife der Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit den Vorschlag der Israelitischen Kultusgemeinde unterstützend auf, eine Beobachtungsstelle gegen Antisemitismus einzurichten und diese beim Bundeskanzleramt, "jedenfalls in enger Anbindung an dieses", zu etablieren.
"Keine Meinung, sondern Angriff auf Würde"
Die Grundlage dafür habe der Ministerrat im April 2017 geschaffen, als die damalige SPÖ-ÖVP-Regierung die Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance annahm:
Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nicht-jüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum, sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.
In die Arbeit der neu zu schaffenden Stelle sollen laut Koordinierungsausschuss Fachleute und Organisationen gegen Antisemitismus eingebunden werden. Es solle zweimal jährlich ein Bericht über die jeweils aktuelle Situation und Entwicklung veröffentlicht werden, dieser habe auch die zivilgesellschaftlichen und staatlichen Initiativen gegen Antisemitismus zu würdigen und weitere anzuregen.
Abschließend zitierte der Koordinierungsausschuss-Beirat Ulrich Neymeyr, den katholischen Bischof von Erfurt (Deutschland):
Antisemitismus ist keine Meinung, deren Äußerung durch die Meinungsfreiheit geschützt ist, sondern ein Angriff auf die Würde von Menschen und damit ein Angriff auf den grundlegenden Wert unserer Demokratie. Hier sind wir gemeinsam zum Widerspruch verpflichtet.
Quelle: kathpress