Vor Weltkriegs-Gedenken: Kirchen treten für gerechten Frieden ein
Im Hinblick auf das heuer bevorstehende 75-Jahr-Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs (2. September) hat sich die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) am Wochenende intensiv mit der Frage einer Friedensethik aus christlicher Sicht auseinandergesetzt. Der evangelische Militärsuperintendent Karl-Reinhart Trauner legte dazu "Grundlinien einer Friedensethik im 21. Jahrhundert" dar, die für alle Konfessionen Gültigkeit haben. Trauner verwies u.a. darauf, dass die Theorie vom "gerechten Krieg" - eine ungenaue Übersetzung des Konzepts des "bellum iustum" - heute von niemandem mehr als schlüssig betrachtet wird.
Die fatalen Erfahrungen zweier Weltkriege hätten zur Erkenntnis geführt, dass "Krieg nach Gottes Willen nicht sein soll", wie es der Weltkirchenrat 1948 bei seiner Gründung formulierte. Der Militärsuperintendent verwies auf neuere Konzeptionen christlicher Friedensethik wie auf das von der Deutschen Bischofskonferenz im Jahr 2000 verabschiedete Bischöfliche Wort "Gerechter Friede" und auf die von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Jahr 2007 vorgelegte Friedensdenkschrift "Aus Gottes Frieden leben - für gerechten Frieden sorgen", die EKD bereite gerade ein neues Papier vor. In Österreich hätten die Kirchen im 2003 verabschiedeten "Ökumenischen Sozialwort" friedensethische Leitlinien erarbeitet.
Ein gerechter Friede ist kein abstrakt-"gutmenschliches" Ideal, sondern sehr real, betonte Trauner. Er müsse gekennzeichnet sein durch innere Sicherheit, gerechte Ressourcenverteilung, funktionierende Versorgung, entsprechendes Gesundheits- und Bildungswesen. Zum Frieden gehöre nicht nur Waffenruhe, sondern sozialer Friede und auch die Bewahrung der Schöpfung. Friede sei "mehrdimensional" zu verstehen, es gehe um einen "comprehensive approach", hier könnten auch die Kirchen und andere Religionsgemeinschaften eine wesentliche Rolle spielen. Der Militärsuperintendent erinnerte in diesem Zusammenhang an die Bemühungen des Weltkirchenrats um einen ökumenischen "konziliaren Prozess" für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung (JPIC). Um sich entwickeln zu können, bedürfe der Friede einer stabilen und gerechten politischen Ordnung.
Allen genannten Erklärungen der Kirchen zur Militär- bzw. Friedensethik sei gemeinsam, dass sie sich von einer religiösen Legitimierung des Krieges klar distanzieren, unterstrich Superintendent Trauner. Es könne aber Situationen geben, in denen der Einsatz militärischer Gewalt unter ganz besonderen Bedingungen zu rechtfertigen ist. Grundsätzliches Ziel bleibe aber die "Einhegung der Gewalt", damit ein Friedensprozess sich entfalten kann. Der Einsatz von Gewalt dürfe niemals "ultima ratio" sein, sondern immer nur ein gerechter Friede. Ob der Einsatz von Militär gerechtfertigt ist oder nicht und in welchem Maße er gegebenenfalls gerechtfertigt ist, könne daran gemessen werden, ob er der Herbeiführung eines gerechten Friedens dient.
Der Einsatz des Militärs könne nur einem Primat der Politik unterliegen, so Superintendent Trauner. Antworten auf die aktuellen Fragen im Bereich der Friedens- und Sicherheitspolitik zu finden, unterliege zwar dem Primat der Politik, es sei dies aber eine zu wichtige Aufgabe, um sie den Politikern allein zu überlassen. Zu bedenken sei, dass "der freiheitliche, säkularisierte Staat" nach dem Diktum des deutschen Staatsrechtlers Ernst-Wolfgang Böckenförde "von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann". Hier zeige sich die Aufgabe der Zivilgesellschaft, aber auch die der Kirchen. Die christlichen Kirchen seien wichtige Meinungsträger, die sich in den politisch-zivilgesellschaftlichen Diskussions- und Entscheidungsprozess über den Frieden einbringen müssten.
Trauner erinnerte zugleich daran, dass der christliche Anspruch, die Welt positiv zu gestalten, in einem deutlichen Spannungszustand zur tatsächlich gelebten Wirklichkeit steht. Theologisch erfordere diese Spannung eine Deutung. Der evangelische Theologe und Märtyrer Dietrich Bonhoeffer habe - in der Extemsituation der NS-Diktatur - dargelegt, dass der Mensch erst "im Vorletzten", in der Vorstufe der göttlichen Vollendung (Ewigkeit) lebe, dem "Letzten".
Quelle: kathpress