Theologe: Menschenleben wichtiger als funktionierende Wirtschaft
Es mehren sich die Stimmen, dass es aus wirtschaftlicher Sicht zielführender wäre, die Infektionsgeschwindigkeit des Coronavirus nicht zu drosseln, damit die Pandemie schnell viele Menschen erreiche und bald wieder vorüber sei. Dieser Beobachtung ist der Grazer Philosophieprofessor an der Grazer Theologischen Fakultät, Reinhold Esterbauer, in einem von der Diözese Graz-Seckau veröffentlichten Essay entgegengetreten. "Offenbar möchten einige Menschen eine weitaus höhere Mortalität akzeptieren und die Toten mit den geringeren wirtschaftlichen Verlusten gegenrechnen", kritisierte er in dem auf der Diözesan-Website veröffentlichten Text. Dies widerspreche allerdings dem humanitären Grundsatz, dass die Menschenwürde uneingeschränkt für alle gelte.
"Gefährdete alte Menschen, Schwache und Kranke bedürfen deshalb besonderer Aufmerksamkeit und dürfen nicht zum Inhalt wirtschaftlicher Spekulationen degradiert werden", betonte Esterbauer. Solidarität sei freilich auch mit jenen geboten, die große Verluste hinnehmen müssen oder sogar in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet sind.
Solidarität sei generell ein wesentlicher Faktor für die Eindämmung der Pandemie, erklärte der Theologe. Gefährdung von außen stärke bei vielen das Zusammengehörigkeitsgefühl zunächst, weiter ansteigender Druck schlage jedoch schließlich oft in Egoismus und das Bestreben um, vor allem für die eigene Sicherheit zu sorgen. Esterbauer illustrierte dies mit den vielen Hamsterkäufen, hinter denen er eine rational oft nicht nachvollziehbare Panik sieht.
Gott nicht Urheber des Virus
Angst äußere sich mitunter in apokalyptischen oder verschwörungstheoretischen Vorstellungen, so der Uni-Professor weiter. Zu meinen, Gott hätte das Virus geschickt, um die Menschen wieder zum Glauben zu führen oder gar unmoralisches Leben zu bestraften, sei haltlos und dem christlichen Gottesbild widersprechend. Gott habe nicht das Leid, sondern das Heil der Menschen im Blick, so der katholische Philosoph.
In der gegenwärtigen Krise zu leben, heiße also, solidarisch zu sein mit den Erkrankten und Infizierten, aber auch mit allen, die sich bemühen, das Gebotene zu tun, und weder nur den eigenen Vorteil zu suchen noch politisches oder sonstiges Kapital aus der labilen Situation zu schlagen. Religionskritik sei, so der Philosoph, vor allem dann gefordert, "wenn Ängste falsche Gottesbilder entstehen lassen oder Endzeitszenarien das Coronavirus religiös instrumentalisieren.
Quelle: kathpress