Vor 75 Jahren:
Chorherren kehrten ins Stift Klosterneuburg zurück
Vor 75 Jahren:
Chorherren kehrten ins Stift Klosterneuburg zurück
Vor 75 Jahren, am 30. April 1945, durften die Augustiner-Chorherren wieder zurück in ihr Stift Klosterneuburg, das 1941 von den Nationalsozialisten enteignet wurde. Die Chorherren gedenken dieser Tage ihrer "Mitbrüder, die diese schrecklichen Ereignisse miterleben mussten, derer, die das nationalsozialistische Regime, den Krieg und den sowjetischen Terror nicht überlebt haben, und derer, die durch ihr unermüdliches, mutiges und engagiertes Verhalten und Handeln den Konvent zusammengehalten und das Stift verteidigt und beschützt haben", teilte das Stift am Mittwoch mit.
Eine Gedenktafel im Vorraum der Sebastianikapelle am Stiftsplatz in Klosterneuburg erinnert an acht Klosterneuburger Augustiner-Chorherren, die 1945 nicht in ihr Ordenshaus zurückgekehrten, darunter der 1944 als Widerstandskämpfer hingerichtete Roman Scholz und Alois Kremar, der 1945 von sowjetischen Soldaten erschossen wurde, als er Frauen in seinem Pfarrhof in Tattendorf schützen wollte.
Am 30. April 1941 hatte die Gestapo das Stift besetzt und die Chorherren vertrieben. Sie fanden vorübergehend Aufnahme bei den Piaristen im 8. Wiener Gemeindebezirk. Am 27. Mai 1941 teilte die Gestapo den Chorherren mit, dass sie sich ab sofort auf die inkorporierten Pfarren verteilen dürfen. Propst Alipius Linda (+1953) residierte fortan in Maria Hietzing. Im März 1942 wurde das gesamte Vermögen des Stiftes eingezogen. Alle Quellen bezeugen, dass es Propst Linda zu verdanken ist, dass der Konvent trotz der Aufhebung, der Einberufung von Ordensleuten zur Wehrmacht oder der Aufteilung in Pfarren zusammengehalten werden konnte.
Die letzten Kriegstage im April 1945
Am 6. April 1945 erreichten die sowjetischen Soldaten Kierling, während die deutschen Truppen in Klosterneuburg zahlreiche Brücken und Straßen sprengten. Zwei Tage später beschoss die Rote Armee vom Kierlingtal aus das Stift, wobei der Südturm schwer beschädigt wurde. Am Nachmittag des 8. Aprils nahmen die Sowjets dann die Obere Stadt ein. Theobald Tschetertnik (+1998), damals Kaplan der Stiftspfarre und einer der drei Chorherren, die als Pfarrgeistliche im Stift bleiben durften, berichtete von erschütternden Ereignissen: "Es lagen die Toten auf den Straßen, teilweise auch die Leichen der Nationalsozialisten, die Selbstmord begangen hatten. Angestellte von uns, die wohl Nationalsozialisten gewesen sind, hatten sich auch vergiftet. Die Leichen lagen herum mit den Pferdekadavern. Die Friedhofskapelle war voll Leichen. Es gab keine Särge. Es waren auch nur einzelne Körperteile, zerrissene Arme und Beine dabei. Ich konnte gar nicht in die Kapelle hinein, doch obwohl ich die Einsegnung der Toten von außen machte, haben meine Kleider nachher so nach Verwesung gestunken, dass sich alles abwandte."
In diesen Tagen kam es auch zu einem Großbrand im Stift, der durch Plünderer verursacht worden sein dürfte. Man bemühte sich erfolglos, mithilfe einer benzinbetriebenen Löschmaschine des Brandes Herr zu werden. Dass das Feuer von selbst erlosch, sei einem Wunder gleichgekommen, hieß es im Rückblick der Chorherren.
Gewürdigt wurde darin auch Oswald Rod (+1969), der als damaliger Stiftspfarrer in den Jahren der Aufhebung des Stiftes und vor allem in jenen Apriltagen 1945 durch sein couragiertes Auftreten viel Schaden vom Stift abhalten konnte. Die Emailarbeiten des weltberühmten Verduner Altars waren kurz vor Ausbruch des Krieges abmontiert und während des Krieges im Keller des Stiftes geborgen worden - mit Siegel des Reichsstatthalters sowie dem Reichsadler. Rod entfernte unter Lebensgefahr die widerrechtlichen Eigentumsbezeichnungen und verhinderte dadurch, dass eindringende Soldaten den Verduner Altar an sich nahmen und das fast achthundertjährige Besitzrecht auf dieses Kunstwerk verloren ging.
Rückkehr ins Stift 1945
Am 27. April 1945 wurde eine provisorische österreichische Staatsregierung eingesetzt. Oswald Rod erlangte noch am selben Tag die Ermächtigung, den enteigneten Stiftsbesitz wieder zu übernehmen. Damit war aber die Rücknahme des Stiftes durch die Chorherren erst am Beginn. Die Wirtschaftsbetriebe konnten sich erst allmählich konsolidieren, die Rückgabe der land- und forstwirtschaftlichen Flächen dauerte in manchen Fällen mehrere Jahre, die Güter in Ungarn sind bis heute verloren.
Am 14. November 1945 versammelte sich das Kapitel im Goblinsaal zu einem Festkapitel. Damit zog der Konvent wieder offiziell in das Stift ein; mit der daran anschließenden ersten Vesper des Leopoldifestes wurde das klösterliche Leben wieder offiziell aufgenommen.
Quelle: Kathpress