Theologe Palaver: Corona konfrontiert Menschen mit eigener Sterblichkeit
Theologe Palaver: Corona konfrontiert Menschen mit eigener Sterblichkeit
Die weltweite Corona-Pandemie hat die Menschheit mit ihrer eigenen Sterblichkeit konfrontiert. Aktuell dürfe aber nicht das egoistische Überwinden des Todes "um jeden Preis" im Vordergrund stehen, sondern die Nächstenliebe und Geschwisterlichkeit mit Kranken und Schwachen: Das hat der Innsbrucker Theologe Prof. Wolfgang Palaver am Freitag im Zuge der Ringvorlesung "Religionen und Corona" an der Universität Wien betont. Die Online-Vorlesungsreihe wolle die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Religionen reflektieren, erklärte der Initiator der Ende Mai gestarteten Vorlesungsreihe und Wiener Islamwissenschaftler Prof. Ednan Aslan in einem Video-Statement via https://coronaundislam-iits.univie.ac.at.
Christliche und muslimische Theologinnen und Theologen, wie der evangelische Ethiker Ulrich Körtner, die amerikanische Islamwissenschaftlerin Marcia Hermansen (Universität Chicago) sowie der marokkanische Philosoph Azelarabe Lahkim Bennani referieren im Zuge der Ringvorlesung über Herausforderungen für Religionen im aktuellen Corona-Krisenmodus.
Die Corona-Pandemie, die die ganze Welt betreffe, bestärke aktuell "eher nationalistische Egoismen" statt einer weltweiten Solidarität, attestierte Palaver. Das Streben nach einem "Überleben um jeden Preis" bezeichnete der Sozialethiker als "gefährlichen Religionsersatz" und - in Anlehnung an den Philosophen Emmanuel Levinas - als "Wurzel von Gewalt und Tod".
Die Lungenerkrankung Covid-19 zwinge zur plötzlichen Auseinandersetzung mit der meist "verdrängten Sterblichkeit". Das erklärt laut Palaver auch Tendenzen, die "eigene Gruppenzugehörigkeit in Verbindung mit Freund-Feind-Mustern zu betonen und Sündenböcke anzugreifen".
Dem gegenüber stehe die Heiligkeit des Lebens. Für viele Kirchen und Religionen sei der Kampf gegen Todesstrafen oder auch die weltweit grassierende Covid-19-Epidemie zur zentralen Lehre geworden. Als praktische Beispiele von gelebter Nächstenliebe und Geschwisterlichkeit nannte Palaver u. a. Ärzte, Pflegepersonal oder auch den italienischen Pfarrer Don Giuseppe Berardelli, der sein Beatmungsgerät an einen jüngeren Patienten weitergab und verstarb. "Es gibt diese Hoffnung auf die ewige Liebe, die Menschen die Kraft gab und gibt, selbst das eigene Leben für die anderen einzusetzen", so der Innsbrucker Sozialethiker.
Regionen stehen vor nie zuvor dagewesenen Fragen
Regionen seien wegen der weltweit grassierenden Lungenkrankheit Covid-19 mit noch nie zuvor dagewesenen Fragen konfrontiert, meinte der österreichisch-türkische Professor für islamische Religionspädagogik am Institut für Islamisch-theologische Studien der Universität Wien. Die Coronakrise benötige daher eine ethische und theologische Reflexion, da es nun um existenzielle Fragen der Menschheit gehe, so Aslan über den Hintergrund der Ringvorlesung.
Die öffentlichen Vorlesungen dauern noch bis 25. Juni. Die via Internet übertragenen Vorträge beginnen jeweils um 19 Uhr. Am 18. Juni referiert der nigerianische Islamwissenschaftler Prof. Dr. Ismail Musa von der Universität Lagos über den Kampf des afrikanischen Staates gegen die weltweit grassierende Lungenkrankheit und die Auswirkungen des Lockdowns für vulnerable Gruppen. Am 19. Juni spricht der türkische Theologe Prof. Dr. Ilhami Güler von der Universität Ankara. Die Ringvorlesung endet am 25. Juni mit einem Referat des malaiischen Wissenschaftlers Mohammad Nazmus Sayadat über die unterschiedlichen Reaktionen vonseiten der Kirche und des Islam auf Covid-19.
Quelle: Kathpress