Kapellari: Kreuzsymbol gehört nicht nur den Christen
Auch wenn es sich um das zentrale Symbol des Christentums handelt: "Das Kreuz gehört nicht nur den Christen", wie der emeritierte Grazer Diözesanbischof und Kunstkenner Egon Kapellari festhält. Wenn freilich Vertreter der zeitgenössischen Kunst Kreuze in ihren Arbeiten verwenden und dabei auch manche Tabubrüche vornehmen, hätten Christen durchaus das Recht, sich zu den Grenzen künstlerischer Freiheit zu äußern. Solche Grenzen seien ambivalent, wies Kapellari jetzt im Vorwort einer neuen Publikation hin. Die Kirche brauche dafür "ein hohes Maß an Einfühlung und Reflexion, um auch eigene und durchaus begründete Affekte gegenüber Grenzüberschreitungen seitens der Kunst selbstkritisch klären und läutern zu können".
Bischof Kapellari äußerte sich in einer Dokumentation, die eine coronabedingt nur virtuell eröffnete Ausstellung im Grazer "Steiermarkhof" unter dem Titel "Weg-Kreuz" mit Werken von 22 Kunstschaffenden zusammenfasst. Von renommierten Vertretern der zeitgenössischen Kunst in Österreich wie Arnulf Rainer, Günter Brus, Otto Mühl oder Hermann Nitsch findet sich darin mindestens je ein Exponat mit dem christlichen Todes- und Auferstehungssymbol als Thema.
In seinem Vorwort erinnert Kapellari an die heftige Kontroverse, die Martin Kippenberger (1953-1997) noch mehr als zehn Jahre nach seinem Tod mit seiner Skulptur "Der gekreuzigte Frosch" anlässlich einer Schau in Bozen auslöste. Viele Südtiroler hätten sich damals gegen die vermeintliche Verhöhnung des gekreuzigten Christus zur Wehr gesetzt. Zu Unrecht, wie der Bischof erinnerte: "Ein tieferer Blick auf Kippenbergers Leben und Sterben hätte erkennen können, dass dieser "mit diesem Frosch vor allem sich selbst karikiert hatte als Künstler am Kreuz in einer erbarmungswürdigen Selbstentfremdung".
Kontroverse mit Hermann Nitsch
Bei einem Werk des wegen seiner Opferrituale umstrittenen Aktionisten Hermann Nitsch waren auch für Kapellari die Grenzen des guten Geschmacks überschritten, wie er erinnerte: Zu seiner Kritik am "blasphemisch-pornographischen Umgang mit der Gestalt Jesu Christi" in seinem Libretto "Die Eroberung von Jerusalem" stehe er noch heute, auch wenn seine späteren Begegnungen mit Nitsch zu mehr wechselseitiger Differenziertheit, Unaufgeregtheit, ja, Freundlichkeit geführt hätten.
"Ein systematischer Abbau von Tabus bringt den dafür Tätigen einen Gewinn an Freiheit", erklärte der Bischof zu den Auseinandersetzungen um Kippenberger und Nitsch. Und er gab zu bedenken: Dadurch würden aber auch Grenzen geöffnet, "die vor einem Weg in die tiefe Inhumanität schützen können".
Kapellari zeigte sich ungeachtet mancher Konflikte zuversichtlich, dass eine Einschätzung von Arnulf Rainer vor mehr als einem Vierteljahrhundert nicht das letzte Wort bleibt: "Kunst und Kirche kommen nicht mehr zusammen; es ist gut, wenn sie sich von ferne freundlich grüßen." Dem hielt der Grazer Bischof entgegen, dass es durch gemeinsame existenzielle Themen immer wieder Berührungen zwischen Kunst und Religion geben wird: "Leben und Tod, Glück und tragische Vergeblichkeit, Frieden und Krieg, Schönheit und Schrecken - diese großen Themen des Menschseins waren und bleiben ja in jeder Epoche Herausforderungen sowohl an die Kunst wie an die Religion." Und Kapellari zeigte sich überzeugt, dass sich die Kant'sche Frage, ob ein Gott sei, auch Kunstschaffenden immer wieder stellen wird.
Quelle: kathpress