Zulehner zum Priestermangel: Es braucht einen Paradigmenwechsel
Es braucht - anders als es ein "strukturkonservativer Vorschlag" zu einer künftig gebündelten Priesterausbildung in Deutschland vorsieht - einen Paradigmenwechsel, um dem anhaltenden Priestermangel in unseren Breiten zu begegnen. Das hat der Wiener Theologe und Religionssoziologe Paul Zulehner in einem Blogeintrag anlässlich des Festtags der Apostel Petrus und Paulus, an dem traditionellerweise Priester geweiht werden, betont. Angesichts seit Jahren geringer Neupriesterzahlen sei es offenkundig, "dass der derzeitige Kirchenbetrieb, der im zentralen Bereich (Feier der Eucharistie und der Sakramente, Vorstehen in einer gläubigen Gemeinde) auf einen herkömmlichen Priester zugeschnitten ist, nicht nur schwächelt, sondern zu Ende geht." Zulehners besorgte Anfrage: "Wann endlich wird die Kirchenleitung in Europa den Ernst der Lage erkennen?"
Anlass der bereits mehrfach publizierten Überlegungen des emeritierten Professors für Pastoraltheologie, "eine Reform des Rahmens" statt nur "Reförmchen" im bestehenden Kirchenrahmen vorzunehmen, waren Beratungen im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz darüber, die weniger werdenden Priesteramtskandidaten künftig an drei deutschen Universitätsorten auszubilden. Ein solches Zusammenziehen der Ausbildungsstätten sei ebenso wie das Zusammenlegen von Gemeinden in pastoralen Großräumen und Megapfarren ein bloßes "downsizing eines sterbenden Kirchenbetriebs", wie Zulehner befand. "Eine Kirchengestalt, deren Dreh- und Angelpunkt zölibatäre Kleriker sind, hat offensichtlich keine Zukunft."
In jeder Gemeinde "personae probatae"
Zulehner setzt demgegenüber auf ein Modell, das "nicht von aufmüpfigen Pastoraltheologen oder Wir-sind-Kirche-Funktionären" stamme, sondern vom pastoral erfahrenen, früher in Südafrika wirkenden Altbischof Fritz Lobinger vorgeschlagen wurde: Es sieht vor, dass wie in der Frühzeit der Kirche die Gemeinden aus ihrer Mitte "personae probatae" ("bewährte Personen") benennen bzw. wählen, die eine seelsorgliche Ausbildung zur Entfaltung ihrer Charismen erhalten. Verantwortung solle ein "Team of Elders" tragen, statt von außen kommende Kleriker aus den Gemeinschaften herausgewachsene "personae probatae" als Kristallisationsfiguren dienen - wobei dieser Begriff offen lässt, ob es sich dabei nur um Männer oder auch um Frauen handeln kann. Zentral am Lobinger-Modell ist, dass an erster Stelle die lebendigen Gemeinden stehen, "in denen kein Mitglied unberufen und unbegabt ist".
Diese lokalen Gemeinschaften seien in einem größeren pastoralen Raum vernetzt und würden in Projekte in Bildung oder Diakonie miteinander kooperieren, erläuterte Zulehner.
Es brauche somit nicht wenige Ausbildungsstätten mit zusammengelegten Priesterkandidaten, bezog sich der Wiener Theologe erneut auf Deutschland, "sondern viele innovative und gemeindenahe Fakultäten über das weite Land hin verstreut". Wer in einem Entwicklungskonzept mit "noch so gutgemeinten Konzentrationsmaßnahmen" allein vom Priester ausgehe, "hat die Zukunft schon verloren", warnte Zulehner. Dies verlängere nur den Sterbeprozess einer Priesterkirche und des immer noch latent vorhandenen pastoralen Grundschismas zwischen Klerus und dem Volk ("Laien") in der Kirche. Appellative Schlussfrage Zulehners: "Wie dramatisch muss sich die Lage noch zuspitzen, bis die Führungskräfte der Kirche endlich aufwachen?"
Quelle: kathpress