Polak: Kirche und Land brauchen Dialogplattform für soziale Fragen
Für eine erneuerte Katholische Sozialakademie (ksoe), die sich u.a. als Dialogplattform für Kirche, Gesellschaft, Politik, Kultur und Wirtschaft etabliert, hat sich die Wiener Pastoraltheologin Prof. Regina Polak ausgesprochen. In einem aktuellen Beitrag auf dem Blog des Wiener Instituts für Praktische Theologie (https://theocare.wordpress.com) hat sie einige grundsätzliche Überlegungen zur geplanten Neuaufstellung der ksoe angestellt. Die Kirche benötige einen freien und unabhängigen Think-Tank, zeigte sich Polak überzeugt, denn die Kirche stehe heute wie die Gesellschaft vor unzähligen Herausforderungen. Die Theologin nannte u.a. die ökologische Krise, den Umbau der Lebens- und Arbeitswelten durch die Digitalisierung, Flucht- und Migrationsbewegungen, kulturelle und religiöse Pluralisierung, politische Radikalisierungen, wachsenden Konkurrenzdruck für österreichische Unternehmen und neue Armut.
Auch die traditionelle Katholische Soziallehre habe dafür keine unmittelbar fertigen Antworten, so Polak: "Inter- und transdisziplinäre wie auch theologisch fundierte Tiefenbohrungen mit Partnern aus Politik, Gesellschaft, Wissenschaft, Kunst und Kultur usw. zu einem angemessenen Verständnis dieser Herausforderungen sind das Gebot der Stunde." Nur differenziert und gut beraten sowie breit aufgestellt könne die Kirche in dieser Situation ihren gesellschaftspolitischen Ort und die damit verbundenen Aufgaben neu bestimmen. Eine Institution, die sich solchen Grundlagenfragen stellt, brauche einen freien und unabhängigen Raum des Nachdenkens und die Möglichkeit, ohne Angst kritische Fragen zu stellen.
Freilich: Ein Think-Tank auf der Basis der christlichen Sozialethik werde immer auch zu Ergebnissen gelangen, die für Einzelne oder manche Teile der Gesellschaft schmerzhaft und unangenehm sind, so die Pastoraltheologin. Die biblische Botschaft stelle nicht nur Sinnressourcen für ein tugendhaftes persönliches Leben im Glauben zur Verfügung, sondern habe seit jeher auch eine prophetische Dimension, in deren Zentrum die Forderung nach einer gerechten Gesellschaft mit einer besonderen Option für die Armen steht. Polak: "Unrechtstrukturen werden nicht religiös legitimiert, sondern aufgedeckt."
Diese prophetische Dimension finde auch in der Christlichen Sozialethik ihren Niederschlag. "Für die ksoe war und ist diese biblische Tradition ein zentraler Referenzpunkt. Dazu gehört z.B., die gesellschaftliche, politische und ökonomische Ordnung aus der Perspektive der Armen, Fremden und Marginalisierten zu befragen - ein Zugang, der auch für die Theologie von Papst Franziskus zentral ist", so die Theologin. Kritik an zeitgenössischen Wirtschaftsordnungen oder politischer Praxis sei damit unvermeidbar.
Freilich sollte sich diese Kritik nicht pauschal gegen "die" Wirtschaft richten oder sich im Gestus eines moralisch erhobenen Zeigefingers äußern. Eine erneuerte ksoe könnte hier vielmehr die Chance ergreifen, zu einer Dialogplattform zu werden, in der sich politisch und ökonomisch Andersdenkende konstruktiv austauschen und "streiten", eine Art "katholischer Sozialpartnerschaft".
Kultur der Kooperation fördern
Die Neuaufstellung der ksoe könne eine "ausgezeichnete Gelegenheit werden, die Kultur der Kooperation in der Kirche und zwischen Kirche und Gesellschaft zu fördern". Polak sprach vom An- und Weiterdenken möglicher neuer Kooperationen mit heterogenen Partnern aus Politik, Wirtschaft, Bildung oder Wissenschaft und nannte konkret etwa die Industriellenvereinigung, die Politische Akademie der ÖVP sowie "linke" kritische Migrations- und Sozialforscherinnen und -forscher. Ein besonderes Augenmerk müsse gesellschaftspolitisch engagierten jüngeren Frauen gelten.
Die Stärkung von Kooperation innerhalb und außerhalb der Kirche sei überdies auch eine ausgezeichnete Gelegenheit, das Potenzial der kirchlichen Soziallehre als einem Instrument der Glaubensverkündigung fruchtbar zu machen, zeigte sich Polak überzeugt. Dazu werde es im Kontext einer säkularen Gesellschaft wichtig sein, "theologische Grundlagen und christliches Profil explizit zu machen und für eine solche Gesellschaft zu übersetzen".
"Wer finanziert unbequeme Projekte?"
Polak ging schließlich auch auf die schwierige finanzielle Situation der ksoe ein und stellte die Frage: "Wer finanziert unbequeme Projekte?" Das betreffe aber nicht nur die ksoe. Anpassung könne jedenfalls nicht die Lösung sein. Polak: "Nicht nur die ksoe, die ganze Kirche wird hier viel Fantasie und Kooperationspartner benötigen, um die jeweiligen Geldgeber davon zu überzeugen, dass auch zunächst unbequem scheinende religiöse und sozialpolitische Themen die Gesellschaft mittelfristig bereichern können."
Schließlich wies Polak auch darauf hin, dass für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Auflösung der "alten" ksoe schmerzhaft sei. Hier brauche es "Wege und Mittel, dem teilweise langjährigen Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Wort und Tat gerecht zu werden".
Sozialethiker nehmen Stellung
Auch die für die Katholische Soziallehre zuständige Professorinnen und Professoren an den österreichischen Universitäten und Hochschulen haben in einer Aussendung zur geplanten Neuausrichtung der ksoe Stellung genommen und deren Bedeutung hervorgehoben. So betonen sie u.a. deren "Engagement hinsichtlich der Option für die Armen und die Klimagerechtigkeit, die entsprechende Vernetzung mit den zivilgesellschaftlich aktiven und relevanten Akteuren in Österreich sowie die mediale Vermittlung der Inhalte der Soziallehre auf der Höhe der Zeit".
Zugleich plädieren sie für eine verstärke Zusammenarbeit der ksoe mit Universitäten aber auch kirchlichen Institutionen wie Katholischer Aktion, Caritas, Laienrat oder Koordinierungsstelle der Bischofskonferenz. Bei aller Kooperation dürfe aber die klare gesellschaftliche Positionierung zugunsten der Schwächsten nicht in Frage gestellt werden.
Wie die Professoren in ihrem Schreiben betonen, liege eine der Stärken der ksoe in der "ausgewogenen Balance zwischen innovativer akademischer Forschung und Engagement zu aktuellen sozialethischen Fragen". Weiters wird in der Stellungnahme das Engagement der ksoe bei der Mitgründung der österreichischen Armutskonferenz wie auch der Einsatz für ein bedingungsloses Grundeinkommen hervorgehoben.
Abschließend heißt es in dem Schreiben wörtlich: "Eine Neuausrichtung sollte sowohl was die bisherigen Inhalte als auch was die bisherigen MitarbeiterInnen betrifft an der bestehenden ksoe anknüpfen, um gemeinsam einen finanziell gangbaren Weg für die Zukunft zu suchen. Jeder Verbesserung der bisherigen Arbeit begrüßen wir natürlich und sind auch selbst gerne bereit, uns aktiv in der Neuausrichtung einzubringen."
"Sozial verträgliche" Neuaufstellung
Auch das ORF-Religionsmagazin "Orientierung" widmete am Sonntag dem ksoe-Reformprozess einen Beitrag. ksoe-Direktorin Magdalena Holztrattner setzte dabei ihre Hoffnung auf einen guten Dialog mit der bischöflichen Steuerungsgruppe, die von der Bischofskonferenz zur Neuentwicklung eingesetzt wurde. Dieser gehören neben dem in erster Linie für die ksoe zuständigen Bischof Werner Freistetter die Bischöfe Hermann Glettler und Josef Marketz an.
Bischof Freistetter skizzierte im ORF-Beitrag die ksoe u.a. ebenfalls als Dialog-Plattform. Der Generalsekretär der Bischofskonferenz, Peter Schipka, bekräftigte einmal mehr, dass die Gründe für die Neuaufstellung der ksoe allein in der schwierigen finanziellen Situation liegen würden und nicht an inhaltlichen Positionen der ksoe. Zugleich betonte er, dass es eine "sozial verträgliche" Neuaufstellung sein werde.
Auch Rainald Tippow, Vorsitzender des ksoe-Kuratoriums, sagte dazu in der "Orientierung": "Wenn die ksoe nicht zeigt, wie sozial verträglich mit Mitarbeitern umgegangen wird, wer dann?"
Quelle: kathpress