Armutsexpertin:
Corona verschärft Frage nach Gerechtigkeit
Armutsexpertin:
Corona verschärft Frage nach Gerechtigkeit
Die Themen der Katholischen Soziallehre sind in Zeiten der Corona-Krise zentraler denn je, vor allem die Frage nach Gerechtigkeit: Das hat die Armutsforscherin und Direktorin der Katholischen Sozialakademie Österreichs (ksoe), Magdalena Holztrattner, im Interview mit den "Ordensnachrichten" (ON, Ausgabe 4/2020) betont. Gerechtigkeit müsse jedoch immer wieder neu ausverhandelt werden, erläuterte die Theologin vor dem Hintergrund steigender Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit und der Lohnschere zwischen Männern und Frauen. Als negatives Beispiel nannte sie etwa die fehlende "Care-Gerechtigkeit" zwischen den Geschlechtern, die sich speziell in Zeiten von Home-Office verfestigt habe. Dankbar sei sie hingegen dafür, so Holztrattner wörtlich, "dass sich unser Staat als Sozialstaat erwiesen hat und sich mit einem Federstrich in Schulden stürzte und dass wir als Bevölkerung zusammenstehen und jede und jeder mitmacht".
Ihre Hoffnung bestehe darin, "dass wir den Dreh den es jetzt gab, weiterdrehen in Richtung einer sozial und ökologisch gerechten Gesellschaft". Denn aktuell stehe eine noch größere Krise - die Klimakrise - an, so die kose-Direktorin.
Ob eine Gesellschaft gerecht sei, zeige sich daher vom Standpunkt der Armen und Benachteiligten, also daran, wie sie mit den Schwächsten ihrer Mitglieder umgeht, zeigte sich Holztrattner überzeugt. Als Folge des Corona-Lockdowns hätten etwa Frauen die Hauptlast der Care-Arbeit getragen. Denn obwohl Frauen und Männer im Home-Office sind, "tragen die Frauen mehr zur Arbeit im Haus und mit den Kindern bei als die Männer", so Holztrattner. Fazit: "Hier zeigt sich verschärft, was schon vor Corona da war."
Die ksoe-Direktorin sprach sich für eine bessere Bezahlung typischer Frauenberufe aus. Zudem dürften auch "typische Männerberufe schlechter bezahlt werden". Holztrattner: "Warum muss ein Programmierer so viel mehr verdienen als eine Krankenschwester?" In diesem Zusammenhang bedeutet Gerechtigkeit laut der Sozialexpertin die Neuverhandlung von Löhnen und die Diskussion um die Bedeutsamkeit der jeweiligen Arbeiten.
Auch die Orden könnten dabei in Fragen der Gerechtigkeit mit positiven Beispiele vorangehen, meinte Holztrattner auf Anfrage: "Jede Ordensgemeinschaft kann etwas tun, die meisten tun auch sehr viel." Dies zeige sich einerseits bei der fairen Entlohnung der Mitarbeiter, ethischen Kriterien bei Investitionen oder der Reflexion von Hierarchien.
Quelle: Kathpress