Viel Lob aus Kirche zu Film über falschen Priester
Zu seinem vielfach ausgezeichneten Film "Corpus Christi" über einen jungen Mann, der ohne Priesterausbildung in die Rolle eines Dorfpfarrers schlüpft, hat Regisseur Jan Komasa nach eigenen Angaben viel positiven Zuspruch von Gläubigen und auch Priestern erhalten - aber keine offizielle Reaktion der katholischen Kirche in Polen. Nach der Premiere habe "völlige Stille" geherrscht, sagte der 38-jährige Filmemacher am Freitagabend in einem Videogespräch nach einer vom Polnischen Institut Wien organisierten Vorführung von Corpus Christi im Wiener Stadtkino. Es sei nicht sein Ziel gewesen, mit dem Film Gläubige zu beleidigen oder die Kirche zu schwächen, betonte Komasa. "Und ich hatte ich das Gefühl, verstanden zu werden, aber offiziell konnten sie nichts sagen."
Komasas Werk, das bei den Filmfestspielen von Venedig 2019 uraufgeführt worden war und sich 2020 auf der Shortlist für den Auslandsoscar fand, läuft seit Freitag in österreichischen Kinos. Erzählt wird die Geschichte des Kleinkriminellen Daniel, der in der Jugendhaftanstalt eine spirituelle Wandlung durchläuft. Nach seiner Entlassung auf Bewährung freundet sich der 20-Jährige mit dem katholischen Pfarrer einer kleinen, ländlichen Dorfgemeinde an. In dessen Abwesenheit verkleidet er sich als Priester und gewinnt als Pfarrer Tomasz das Vertrauen der Menschen. Dem Regisseur sei ein differenziertes Zeitbild gelungen, das moralisch-ethische Probleme der Gegenwart zur Diskussion stellt, schrieb der deutsche katholische "Filmdienst".
"Corpus Christi" löste in Polen eine Debatte über die Rolle der katholischen Kirche und die Spaltung der Gesellschaft aus. Gedreht wurde der Film in einer kleinen südostpolnischen Ortschaft nahe der Grenze zur Slowakei, wobei der örtliche Bischof eine Drehgenehmigung in der Pfarrkirche verweigerte, wie Komasa beim Regiegespräch im Wiener Stadtkino erzählte.
Der Film beruht im Kern auf einer wahren Begebenheit: "Es gab in Polen tatsächlich den Fall des 19-jährigen Patryk, der sich drei, vier Monate lang als Priester ausgab. Mateusz Pacewicz, der das Drehbuch zu Corpus Christi geschrieben hat, verfasste einen Artikel darüber und kam so auf die Idee für den Film", sagte Komasa. Der Streifen erhielt Auszeichnungen bei verschiedenen Filmfestivals und wurde auch in Polen mit Preisen überschüttet - gleiches gilt für Schauspieler Bartosz Bielenia für seine überzeugende Darstellung der Hauptfigur.
"Jeder von uns ist der Priester Christi." Diese Worte des Gefängnispfarrers in einer Messe gleich zu Beginn leiten eine tiefgründige Auseinandersetzung mit einer zutiefst persönlichen Glaubenserfahrungen ein, der das Publikum auch vor die ernsthafte Frage stellt, wer für Gott sprechen darf. "Spiritualität ist sehr fragil und individuell. Während ich an dem Film arbeitete, fragte ich mich: Wer hat das Monopol auf Spiritualität?", sagte Regisseur Komasa.
Für 31. August (19 Uhr) ist im Wiener Stadtkino eine weitere Spezialvorführung von Corpus Christi geplant. Anschließend findet ein Publikumsgespräch mit der evangelischen Pfarrerin Julia Schnizlein von der Lutherischen Stadtkirche Wien und Andreas Zembaty vom Verein Neustart statt. (Info und Online-Tickets unter http://stadtkinowien.at/news/607/)
Quelle: kathpress