Experte: Kinderpastoral braucht Kommunikation auf Augenhöhe
Otto Kromer, geboren 1955, Erwachsenenbildner, Pädagoge und Supervisor, ist so etwas wie der Nestor der Katholischen Jungschar. Mehr als 30 Jahre lang war der davor als Jugendleiter tätige Wiener in der größten Kinderorganisation Österreichs für Kinderpastoral zuständig. Er war auch einer der ersten, der sich in der Jungschar mit Genderfragen und Missbrauchsprävention beschäftigte. Kürzlich ging Kromer in Pension, im Kathpress-Gespräch gab er Einblick in seinen Erfahrungs- und Erkenntnisschatz und äußerte die Überzeugung: Kirchliche Arbeit mit Kindern kann auch in Zeiten schwindender Kirchenbindung erfolgreich sein, wenn man dieser Zielgruppe weder mit Katechismus-Weisheiten noch anbiedernd, sondern authentisch und "auf Augenhöhe" begegnet.
Das ist generell Otto Kromers langjährige Erfahrung, wie er erklärte: Ob Kinder - und ihre Eltern - ansprechbar für kirchliche Angebote sind, hängt sehr von deren Qualität und Kontinuität ab; am meisten aber vom kirchlichen Personal. Dieses sei "das Um und Auf", das Alter der Person sei dabei egal. Wichtiger wäre es, "bunte Vögel" zu gewinnen und ihnen Verantwortung und "Schlüsselgewalt" zuzugestehen, so der 65-Jährige.
Die von ihm qualifizierten Kinderpastoral-Verantwortlichen ließ Kromer schon mal in Kirchenräumen niederknien - nicht wegen der Frömmigkeit, sondern um nachvollziehbar zu machen, wie sich Acht- oder Zehnjährige in Gotteshäusern fühlen. "Auf Augenhöhe" ganz wörtlich also. Wichtig sei ihm auch immer der Sesselkreis gewesen, bei dem die Kinder das zuvor Erlebte reflektieren konnten und sich dabei ernst genommen wussten. Bei religiösen Inhalten komme es viel mehr darauf an, Fragen zu wecken, als vorgefertigte Antworten anzubringen, ist Kromer überzeugt.
Sind heutige Kinder, die oft umgeben von Bildschirmen u.a. Konsumgütern sowie ohne Geschwister aufwachsen, schwerer für Religiöses zu begeistern als zu Zeiten, in denen Otto Kromer selbst seine Karriere als "kleiner Ministrant" und Jugendführer in der Pfarre Dornbach begann? Es mag länger dauern, bis sie aus sich herausgehen, so seine Antwort, aber grundsätzlich sind die Bedürfnisse und Sehnsüchte dieselben geblieben: angenommen und ermutigt werden, etwas zugetraut bekommen, Gemeinschaft erleben, entdecken, sich bewegen und etwas leisten dürfen. All das müsse Platz in einer guten Kinder- und Jugendarbeit haben.
"Auch Gott ins Spiel bringen"
Was die Jungschar dabei von den Kinderfreunden oder den Pfadfindern unterscheidet, ist laut Kromer, dass hier "auch Gott ins Spiel gebracht wird". Gerade Kinder haben eine Begabung für Religion, sind ansprechbar für Wirklichkeit über das Sichtbare hinaus, so seine Überzeugung. "Warum war Harry Potter so erfolgreich?", spielte der Pädagoge auf Beispiele außerhalb der Kirche an.
Auch die Jahrtausende alten Bibelgeschichten finden bei Kindern Anklang - etwa das Gleichnis vom barmherzigen Vater bzw. verlorenen Sohn, das bei Kindern allerdings "theologisch unkorrekt" an die Erfahrung anknüpft: Der Vater bzw. die Eltern sind manchmal ungerecht und verteilen ihre Liebe ungleich. Das empört ihre Sprösslinge.
Einmal wunderte sich Kromer, als er mit Handpuppen die Jona-Geschichte nachspielte und eine wachsende Gruppe von Elfjährigen deren Wiederholung einforderte. Und an einer Stelle seien sie in begeistertes Gebrüll ausgebrochen: Als sich Jona dem Auftrag Gottes widersetzte und statt nach Ninive in die entgegengesetzte Richtung ging. Widerstand gegen göttliche (elterliche?) Befehlsgewalt - auch das kann von emanzipatorischer Beschäftigung mit Religion provoziert werden, weiß der Jungschar-Veteran.
Zum Abschied von der Jungschar hätte sich Otto Kromer ein Symposion über Themen wie dieses gewünscht, erzählt er. Dazu kam es nicht und auch die Ende September angesetzte Abschiedsfeier musste pandemiebedingt abgesagt werden. Und auch wenn die "Jugendbischöfe" der letzten 30 Jahre nur ein einziges Mal direkt auf die hauseigene Kinderpastoral-Kompetenz zurückgriffen, als Kromer 2014 über eine groß angelegte Jungscharstudie und die dabei rund 90.000 Kinder umfassende Zielgruppe referierte: Vielleicht ergibt sich ja in Nach-Coronazeiten noch Gelegenheit, sich fachkundig über Erfolgversprechendes bei der Glaubensweitergabe an die nächsten Generationen auszutauschen.
Quelle: kathpress