Scheuer: Friedenssicherung führt über Erinnern und Solidarität
Die Sicherung des Friedens führt gleichermaßen über eine Kultur des Gedenkens und über gelebte Solidarität mit den Ärmsten: Das hat der Linzer Bischof Manfred Scheuer bei einem Friedensgebet am Sonntagnachmittag im Linzer Dom betont: "Auf den Ruinen der zertrümmerten Republik wurden Rechtsstaat und Demokratie mit Gewaltentrennung, Grund- und Freiheitsrechten aufgebaut. Das ist ganz und gar keine Selbstverständlichkeit, sondern muss täglich verteidigt werden." Dazu zählt laut Scheuer eine lebendige Erinnerungskultur an die Leidens- und Schuldgeschichte ebenso wie ein "Präventivfrieden": "Es gibt keinen dauerhaften Frieden ohne Gerechtigkeit, ohne den Schutz der Menschenrechte, ohne Freiheit und ohne die Achtung des Rechts."
Das Friedensgebet am Tag vor dem Nationalfeiertag fand aus Anlass des Gedenkens an den 75. Jahrestag des Kriegsendes und des 65. Jahrestages des Staatsvertrages statt. An dem von der Stiftung "Pro Oriente" veranstalteten Gebet nahm u.a. auch der oberösterreichischen Landeshauptmann Thomas Stelzer teil.
Die dankbare Erinnerung an das Ende des Krieges und den Wiederaufbau Österreichs müsse immer auch mit einem schamhaften Blick auf die eigene Schuldgeschichte verbunden bleiben, mahnte der Bischof. Es gebe eine "Verwobenheit mit dem Schrecken, der über die persönliche Schuld der damaligen Täter hinausgeht" und bis heute wirksam sei. Gewiss, es habe Widerstandskämpfer gegeben wie etwa den Seligen Franz Jägerstätter, die dies mit dem Leben bezahlt haben; auch hätten viele Menschen damals ihr Leben riskiert, um Juden zu retten und vor dem Tod zu bewahren - es bleibe daher die Erinnerung eine "Achterbahn", auf der man "hin und her geworfen" werde "zwischen dem Stolz auf Österreich, dem gesunden Selbstbewusstsein, der Trauer und der Scham, dem Selbsthass und dem Zynismus".
Der Glaube befreie in dieser Situation dazu, die "Verwobenheit mit diesem Schrecken, die über die persönliche Schuld der damaligen Täter hinausgeht", zu erinnern, führte Scheuer weiter aus: "Der Glaube an Gott macht frei, sich auch den dunklen Seiten der eigenen Biografie und der Schuldgeschichte des eigenen Volkes zu stellen. Wir erinnern uns, damit wir uns unserer eigenen Verantwortung bewusst werden. Wir erinnern uns, damit die Schrecken des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ihre mahnende Kraft behalten, damit wir uns über die Verführbarkeit des Menschen, seine Fähigkeit zu unmenschlichen Taten und seinen Mangel an Mut nicht täuschen."
Neben einer lebendigen Erinnerungskultur sei auch die gelebte Solidarität mit den Ärmsten eine Form der aktiven Friedenssicherung, so Scheuer: "Der Kampf gegen Krieg, aber auch gegen andere Formen von Terrorismus und Gewalt muss im Wesentlichen präventiv geführt werden." In dem Zusammenhang sei etwa rückzufragen, wie es um die finanziellen Mittel für die Entwicklungspolitik stehe: "Die humanitäre Hilfe steht meist in keinem Verhältnis zum Aufwand der militärischen Mittel. Der größte Teil der Intelligenz wird nach wie vor in Waffensysteme und Rüstung investiert, statt diese Intelligenz für die Entwicklung der armen Völker einzusetzen." Ziel einer globalen Solidarität müsse die "durchgreifende Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen der Armen sein", appellierte der Linzer Bischof.
Quelle: kathpress