Viele Friedensgebete: Religionen rücken nach Wiener Anschlag zusammen
Der Wiener Terroranschlag vom Allerseelentag mit fünf Toten und zahlreichen Verletzten darf keine Spaltungen hinterlassen, sondern muss ein Zusammenrücken bewirken und die Verbundenheit stärken: Das gilt insbesondere für das Miteinander der Religionen, verdeutlichen interreligiöse Gedenkveranstaltungen, die in diesen Tagen quer durch Österreich wie auch jenseits der Landesgrenzen stattfinden. Einem gemeinsamen Gebet im Wiener Stephansdom vom Dienstag folgten seither zahlreiche weitere in den Bundesländern. Als nächstes steht am Sonntag um 17 Uhr ein Friedensgebet im Klagenfurter Dom auf dem Programm.
Noch innerhalb der von der Regierung ausgerufenen dreitägigen Staatstrauer versammelten sich am Donnerstagabend im Dom von Feldkirch die Vertreter der Religionen in Vorarlberg im Zeichen des Friedens. Bischof Benno Elbs bekundete dabei seine Bestürzung über den Terroranschlag und die Morde, die vielen Menschen "unendliches Leid" gebracht hätten. "Wir alle sind sehr betroffen, wenn Menschen versuchen, das was uns allen wichtig ist, zu zerstören: Den Wert der Nächstenliebe, der Solidarität und des Miteinanders", so der katholische Oberhirte.
Hass und Gewalt im Namen Gottes würden nur Angst und Schrecken verbreiten, dürften jedoch nicht mit einer ebensolchen Haltung entgegnet werden, appellierte bei der Veranstaltung Pfarrer Michael Meyer von der Evangelischen Kirche Dornbirn, denn "Gewalt führt zu Gegengewalt, Hass und völliger Vernichtung". Die richtige Antwort sei das genaue Gegenteil. "Liebe überwindet Hass, beendet Gewalt, reicht dem Feind die Hand und versöhnt sich mit ihm. Liebe weigert sich, Feinde zu sein."
Scharfe Worte der Verurteilung des Attentäters kamen von der Vorsitzenden der Islamischen Religionsgemeinde Vorarlberg, Elif Dagli. Der Terrorist habe im "Irrglauben, damit seinem Glauben Ausdruck zu verleihen und sich Gottes Gunst erhaschen zu können" gehandelt und sei ein "Verblendeter" und "Terrorist, getrieben von einer Ideologie, die nur ein Ziel verfolgt: Unruhe zu stiften, Angst und Schrecken zu verbreiten, und uns als Gesellschaft zu entzweien". Die Gräueltat sei "durch nichts zu rechtfertigen oder zu entschuldigen", denn niemand dürfe "aus welchem Grund auch immer ein anderes Geschöpf Gottes seelisch oder gar körperlich verletzen". Die einzig gültige Reaktion sei eine von "Friede, Verantwortung, Akzeptanz, Respekt und Solidarität" geprägte.
Der altkatholische emeritierte Bischof Johannes Okoro betonte, in allen Religionen und Gruppierungen seien nun "Menschen, die bereit sind Brücken zu bauen" nötig. Der serbisch-orthodoxe Pfarrer Nikola Balovic rief das Leid der Angehörigen der Opfer in Erinnerung und bezeichnete Jesus Christus als "ewigen Lebens- und Trostspender". Auch Vertreter der Baha'i beteiligten sich an der Veranstaltung, die von einem privaten Fernsehsender live übertragen wurde.
Online-Friedenszeichen der Jugend
Ebenfalls am Donnerstagabend veranstalteten in Salzburg die Jugendorganisationen der Kirchen und Religionsgemeinschaften ein gemeinsames virtuelles Friedensgebet auf der Plattform "Zoom". "Uns war es wichtig, in dieser Zeit ein Signal der Verbundenheit und des Friedens zu senden", erklärte Andreas Huber-Eder, einer der Mitinitiatoren des Gebets, in einer Aussendung. Beteiligt waren die Katholische Jugend Salzburg, die Evangelische Jugend Salzburg-Tirol und die Muslimische Jugend Salzburg.
Die Online-Veranstaltung sollte einen Raum für den Austausch von Gedanken, zum Äußern von Trauer und für gemeinsames Gebet schaffen, hieß es weiter. Freigeschaltet wurde während des Treffens auch eine digitale Trauerwand, auf der die Teilnehmenden alle drei Religionen berührende Gedanken und Gebete hinterließen. Darunter etwa die Fürbitte, "Dass alle hier zusammenhalten, dass es unglaublich viele Zeichen von Hilfsbereitschaft und Da-sein-füreinander gegeben hat und gibt".
Gebete, Gedenkmarsch und Moscheen-Gedenken
In Salzburger Dom hatte Erzbischof Franz Lackner bereits am Tag nach dem Attentat in einem ökumenischen Friedensgebet der Terroropfer gedacht, ebenso wie in Linz ein stilles Gedenken von Bischof Manfred Scheuer mit den Spitzenvertretern der Religionen stattfand. In Wien versammelten sich die Spitzenvertreter der Religionen und Kirchen am Donnerstag zu einem Gedenkmarsch zu den Taten des Terroranschlags, ehe am Freitag die überkonfessionellen Aktion "Wir halten zusammen - Glaube verbindet!" gestartet wurde; Kinder gestalten dabei im Religionsunterricht Bänder mit Friedensbotschaften, die dann in der Stadt an Kirchen und andere öffentliche Gebäude geknüpft werden.
Am Freitag hatten auch die 350 Moscheen der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) im Rahmen ihres Freitagsgebets der Opfer des Wiener Terroranschlags gedacht. Es gab dabei eine einheitliche Freitagspredigt, die auch im Internet übertragen wurde. Die muslimische Bevölkerung befinde sich wenige Tage nach dem brutalen Anschlag "gemeinsam mit dem ganzen Land noch immer in einem Zustand der Fassungslosigkeit und des Schmerzes", hieß es in einer Aussendung der IGGÖ vom Freitag dazu. Hervorgehoben wurde dabei auch, dass Österreich in den vergangenen Tagen in Trauer zusammengerückt sei; die Spitzen der Kirchen und Religionsgemeinschaften hätten ihre Verbundenheit demonstriert und auch die Bundesregierung habe mit ihren besonnenen Worten ihren Beitrag dazu geleistet, die Gesellschaft vor einer Spaltung zu bewahren.
Gedenken bei Botschaft in Berlin
Zeichen der Solidarität und des Zusammenhalts der Religionen infolge des Wiener Anschlags gab es jedoch auch außerhalb Österreichs: So versammelten sich etwa in Berlin Spitzenvertreter von Juden, Christen und Muslimen vor der österreichischen Botschaft zu einem gemeinsamen Gebet für die Opfer des islamistischen Terrors. Bei der Veranstaltung auf Einladung des Zentralrats der Muslime in Deutschland wurde zu Engagement der Religionen für den Frieden aufgerufen. Der Zentralratsvorsitzende Aiman Mazyek warnte davor zuzulassen, "dass Extremisten und Terroristen die Gemeinschaft spalten". Er nannte die Attentate in Österreich und Frankreich einen "Krieg gegen Gott und die Menschen", der sich auch gegen Muslime richte. Mazyek erinnerte zudem daran, dass einem Anschlag in Kabul am Montag mehrere Dutzend afghanische Studierende zum Opfer fielen.
Der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschland, Andreas Nachama, gedachte der Ermordeten von Dresden, Nizza und Wien. Er betonte, dass jede Religion und Weltanschauung von Extremisten missbraucht werden könne. Der katholische Berliner Erzbischof Heiner Koch betonte, dass Terrorismus eine Gotteslästerung sei. Deshalb müssten die Religionen zu "Boten des Friedens" werden. Der evangelische Landesbischof Christian Stäblein rief dazu auf, "die Kräfte des Friedens in allen Religionen zu stärken". Der Neuköllner Imam Mohammed Taha Sabri wandte sich ebenfalls gegen "Hass und Gewalt".
An der Friedenskundgebung nahmen Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth, die SPD-Vorsitzende Saskia Esken, Abgeordnetenhauspräsident Ralf Wieland und der österreichische Botschafter Peter Huber teil. Zum Gedenken der Opfer entzündeten die Teilnehmer Kerzen und legten weiße Rosen am Botschaftszaun nieder.
Quelle: kathpress