Salzburger Generalvikar Rasser: "Im Grunde ist jeder Mensch gläubig"
"Im Grunde ist jeder Mensch gläubig": Davon hat sich der Salzburger Generalvikar Roland Rasser in einem Interview in der "Salzburger Woche" überzeugt gezeigt. Seine These verdeutlichte er mit dem anstehenden Weihnachtsfest, aber auch mit der Coronakrise. Und der Generalvikar nahm auch zur Missbrauchskrise, dem Priestermangel und der Zölibatsdiskussion Stellung. Rasser erläuterte weiters, wie sich die Verantwortlichen des Salzburger Doms künftig die Eintrittsgelder für Touristen vorstellen.
Während des Christkindlmarkts würden immer mehr Leute in den Dom hineingehen als sonst, es werde ein Vielfaches an Kerzen angezündet, berichtete Rasser. Der Generalvikar erklärte dies auch mit einer "Ursehnsucht nach dem Göttlichen", die der Mensch in sich trage. Wenn der Christkindlmarkt heuer nur in reduzierter Form oder überhaupt nicht stattfindet, bleibe dieser Ruhepol aber übrig. "Ob das ein Anziehungspunkt ist für Menschen, die normalerweise herkommen, den Rummel vermissen und sagen, naja, jetzt gehen wir halt in den Dom, das wird sich weisen." Die Türen des Doms würden den ganzen Tag offenbleiben, kündigte Rasser an, der in der gegenwärtigen Coronakrise bei vielen eine Glaubenssehnsucht bemerke.
Wasser predigen und Wein trinken
Auf die Kirchenaustritte angesprochen meinte Rasser: "Das Problem, das vielfach empfunden wird, ist das sogenannte Bodenpersonal, also wir." Höhepunkt sei das Missbrauchsthema gewesen, das der Kirche an Glaubwürdigkeit gekostet habe, was sich auch in Gespräche mit Ausgetretenen oder Austrittswilligen zeige. "Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist Wasser predigen und Wein trinken. Da müssen wir uns selber immer wieder bei der Nase nehmen", so der Generalvikar wörtlich. Er glaube aber nicht, "dass dadurch die Gläubigkeit der Menschen abgenommen hat. Im Grunde ist jeder gläubig. Manche sind gläubig mit einer Gottesbeziehung und manche ohne. Die nennen wir ungläubig, das stimmt aber nicht. Sie haben einfach andere Maximen ihrer Weltsicht."
Im Blick auf den Priestermangel erläuterte der Generalvikar, dass man in der Erzdiözese einen Teil der fehlenden Priester mit Priestern aus anderen Diözesen und Ländern ergänze, vor allem aus Indien und afrikanischen Ländern. "Es gibt in der Seelsorge etliche, die da gut eingesetzt sind. Wir machen aber schon die Beobachtung, dass das nicht ganz ohne Schwierigkeiten abläuft", meinte Rasser dazu. Neben sprachlichen Problemen gebe es unterschiedliche Kirchenbilder und -erfahrungen. Von ihren Herkunftsländern her seien manche Priester gewohnt, dass sie "fast unantastbar", gewissermaßen "auf einem Podest stehen" würden. Teils seien sie auch die Zusammenarbeit mit Laienmitarbeiterinnen auf Augenhöhe nicht gewohnt, "und dass sie da Kritik und Widerspruch erfahren".
Glaube und kirchliches Leben sei aber nicht nur von den Priestern her definiert. So gebe es viele Kräfte, die mitwirken, von hauptamtlichen Pastoralassistenten bis zu ehrenamtlichen Diakonen - und "sie werden immer mehr", meinte Rasser. Priesterlichen Dienste würden in Zukunft eher für größere Räume gebraucht werden, "Pfarrer mit vier bis zu sechs Pfarren werden in nächster Zeit üblich sein". Diese Entwicklung sei auch mit Blick über die Landesgrenzen bereits im Gange, so gebe es in Deutschland Pfarrstrukturen, wo ein Priester sogar für 20 Pfarren zuständig ist. In einer solchen Struktur könne der Priester nicht mehr direkter Ansprechpartner für jeden Einzelnen sein, "sondern dann geht es vor allem darum, das Mitarbeiterteam zu betreuen und dabei selbstverständlich die Kontakte zur Basis nicht zu verlieren".
Potenzial an christlichen Werten
Der Zölibat sei sicher "auch ein Grund" für den Priestermangel, allerdings glaube Rasser nicht, dass ein Verzicht auf das Pflichtzölibat "den großen Nachschub bringt". Den Grund für den Priestermangel sehe er im "darniederliegenden Kirchenimage". Trotzdem sei ein "hohes Potenzial an christlichen Werten", was Rasser u.a. in der Jugendarbeit bemerke. So gebe es Jugendliche, die an den Glaubensthemen sehr interessiert seien, was man am Engagement an Umwelt, Mitmenschlichkeit, Offenheit, Freiheit, Tierschutz und gegen Krieg bemerke. Jugendliche würden sich aber nicht mehr im Rahmen der Kirche engagieren, "sondern sozusagen im freien Spiel der Kräfte."
Im Blick auf die Sparmaßnahmen in der Erzdiözese - diese muss 2021 fünf Millionen Euro bzw. rund zehn Prozent des Budgets einsparen - kam der Generalvikar auch auf die geplanten Eintrittsgelder in den Salzburger Dom für Touristen zu sprechen. Die Grundidee: "Wie können wir die Menschen, die aus touristischem Interesse kommen, dafür gewinnen, etwas zur Erhaltung beizutragen?" Dahinter stecke auch ein pastorales Ziel, nämlich dass ein Besucher "anders aus dem Dom hinausgeht als er hineingegangen ist. Das ist ein pastorales Anliegen". Wer zum Beten kommt, müsse freilich keinen Eintritt zahlen.
Quelle: kathpress