Gedenken zum 5. Todestag der "Mutter der Ökumene" in Wien
Vor fünf Jahren, am 29. November 2015, starb Oberin Christine Gleixner, die legendäre "Mutter der Ökumene", im 90. Lebensjahr. Ihr Leben galt der Einheit der Kirchen. Von 2000 bis 2005 war sie Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ). Der jetzige ÖRKÖ-Vorsitzende, Domdekan Prof. Rudolf Prokschi, plante für 27. November ein "ökumenisches Gedenken" unter orthodoxer Beteiligung am Grab der Oberin am Kagraner Friedhof in Wien. Corona-bedingt musste das Gedenken abgesagt werden. Prokschi wollte trotzdem allein am Grab Gleixners ihrer gedenken - und traf dort mit dem Wiener bulgarisch-orthodoxen Bischofsvikar Ivan Petkin zusammen. Die beiden gedachten am Grab im Gebet, mit Sicherheitsabstand, der verstorbenen Oberin in deutscher und in bulgarischer Sprache.
Christine Gleixner war 1949 in die Ordensgemeinschaft der "Frauen von Bethanien" im niederländischen Bloemendaal eingetreten. Sie studierte Theologie und Pastoralkatechese an der Ordenshochschule, aber auch an den Universitäten von Nijmegen und Utrecht. Die "Frauen von Bethanien" waren 1919 von dem Jesuitenpater Jacques van Ginneken begründet worden. Heilige Schrift und Liturgie nehmen einen zentralen Platz im Leben der Ordensgemeinschaft ein. Sie wissen sich der Spiritualität des Heiligen Ignatius von Loyola verpflichtet, leben in kleinen Gemeinschaften und tragen Zivilkleidung. Ziel der Gemeinschaft war von Anfang an die Konfrontation der Menschen von heute mit der Botschaft Christi und die Mitarbeit am ökumenischen Gespräch mit den getrennten Christen.
Diese Mitarbeit nahm sich Gleixner in Wien zu Herzen. Nach einem Studiensemester in Paris war sie nach Wien zurückgekehrt und hatte hier Verantwortung für die Niederlassung ihres Ordens übernommen. Zugleich ging ihr Blick - auch dank ihrer westeuropäischen Erfahrungen - über die Grenzen Österreichs hinaus. In der Folge gestaltete sie lange Zeit die ORF-Radioreihe "Ökumenische Morgenfeier" mit, die nach den Worten des Wiener Weihbischofs Helmut Krätzl zur "ökumenischen Drehscheibe in Österreich" wurde.
Zentralperson des ökumenischen Dialogs
Viele Jahre war Oberin Gleixner die Zentralperson des ökumenischen Dialogs in Österreich. Sie trat von Anfang an für die "Ökumene auf Augenhöhe" ein - und fand in Kardinal Franz König, dem orthodoxen Metropoliten Chrysostomos Tsiter und dem evangelisch-lutherischen Bischof Gerhard May kongeniale Partner. Viele Jahre war sie Vorsitzende der Wiener Diözesankommission für ökumenische Fragen, wo jetzt auch Domdekan Prokschi ihr Nachfolger ist. Eines von Gleixners großen Verdiensten bestand darin, dass die katholische Kirche 1994 Vollmitglied im ÖRKÖ wurde, was zu diesem Zeitpunkt noch in keinem anderen europäischen Kirchenrat der Fall war.
Oberin Gleixner war überzeugt, dass Christsein auch eine "politische" Dimension haben muss. In überzeugender Weise brachte sie das bei ihrem Einsatz für das i Advwent 2003 veröffentlichte "Ökumenische Sozialwort" der Kirchen zum Ausdruck. Im Vorwort hieß es damals: "Das Sozialwort des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich ist die Frucht eines intensiven vierjährigen Prozesses und soll weitere vertiefende Prozesse in Kirchen und Gesellschaft einleiten und inspirieren. Die Veränderungen und Herausforderungen in einer sich rasant entwickelnden Gesellschaft erfordern einen dauernden, intensiven Begleitprozess der Kirchen westlicher und östlicher Tradition in ökumenischer Verbundenheit. Das Sozialwort, geprägt vom lebendigen Wort Gottes, der Heiligen Schrift, soll dafür 'Kompass' sein". Die Überzeugung und Hoffnung Gleixners kam in einem Passus ihres Geleitworts zum Ausdruck: "Das Sozialwort des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich ist die Frucht eines Dialogprozesses und gleichzeitig eine Einladung für einen weiterführenden, vertiefenden Dialog zwischen Kirchen und Gesellschaft".
Überzeugt von der notwendigen Einheit
Dass es gelungen ist, alle ÖRKÖ-Mitgliedskirchen - auch die östlichen - in den Entstehungsprozess des "Ökumenischen Sozialwortes" einzubeziehen, war Oberin Gleixner zu verdanken. In jenen Jahren war sie aber auch im Hinblick auf den Österreich-Konvent politisch aktiv. Im Österreich-Konvent vom Juni 2003 bis Jänner 2005 war sie namens der Kirchen in der Diskussion über Vorschläge für eine grundlegende Staats- und Verfassungsreform wesentlich tätig. Dass die Vorschläge des Konvents wenig umgesetzt wurden, sondern an der Trägheit des österreichischen Apparats scheiterten, stimmte die Oberin traurig.
"Sie war überzeugt von der notwendigen Einheit der Kirchen. Sie hat dieses Ziel nie aufgegeben, es immer mit Zähigkeit und Standfestigkeit verfolgt und sich auch von Rückschlägen nicht entmutigen lassen", sagte Prof. Prokschi im Gespräch mit der katholischen Nachrichtenagentur Kathpress. Das Argument "Das ist einfach nicht möglich" habe es bei Gleixner nicht gegeben. Sie sei allen Kirchenvertretern mit Respekt und Wertschätzung begegnet und habe immer nach Wegen gesucht, dass in der Ökumene alle Beteiligten profitieren. Prokschi: "Sie hat theologisch argumentiert, war eine sehr gebildete Frau, hat sich aber auch immer Fachleute zur Unterstützung geholt."
Quelle: kathpress