Kapellari zum 85er: Im Ringen um Gott nicht "zu flach" werden
Es ist in der Kirchengeschichte nicht neu, dass das katholische Christentum als überholt erklärt wird. Wie der emeritierte Grazer Bischof Egon Kapellari dazu anmerkt, hätten es viele Christen, und auch Päpste, ihren Kritikern manchmal "leicht gemacht, das komplementäre Positive zu übersehen, zu verdrängen". Aber gerade in der Geschichte des Papsttums zeige sich, "dass Gott oft auch auf krummen Zeilen gerade schreibt", so Kapellari. Im 20. Jahrhundert sei die Existenz Gottes zunehmend bezweifelt worden, in der Bibel dagegen komme das Ringen um Gott und mit Gott immer wieder zur Sprache. In der katholischen Christenheit Europas ringe man vorrangig um "progressiv" und "konservativ". Dazu der Bischof: "Das ist zu flach. Man müsste darüber hinaus tiefer denken und tiefer graben."
Der Grazer Altbischof äußerte sich in einem ausführlichen Interview des steirischen "Sonntagsblattes" (Ausgabe 10. Jänner), Anlass dafür ist neben dem 85er Kapellaris ein zweifaches Jubiläum: 2021 stehen für den früheren Kärntner und Grazer Oberhirten auch 60 Jahre im Priesteramt und 40 Jahre als Bischof an.
"Zu flach" ist nach den Worten des Jubilars auch, dass im deutschen Sprachraum kirchlich vor allem von einem "lieben Gott" die Rede sei. Der Gott der Bibel sei "zutiefst zwar Liebe, aber er hat sich in Jesus Christus am Karfreitag als gescheiterte, weil gekreuzigte Liebe offenbart und erst am dritten Tag in der Auferstehung Christi als siegreiche Liebe". Der Titel eines neuen Buches des deutschen Bischofs Heiner Wilmer laute dementsprechend zu Recht "Gott ist nicht nett".
Bischof erwägt Buch über Humor
Über sein aktuelles Engagement erzählte Kapellari, er habe seit seiner Emeritierung 2015 wie auch andere Altbischöfe in der Pfarrseelsorge ausgeholfen, durch Firmungen, Weihen von Diakonen und einem Priester, durch Exerzitien und Vorträge. Zuletzt suche er noch intensiver als zuvor die Begegnung und das Gespräch mit Christen, Juden und Muslimen, mit Vertreterinnen und Vertretern von Politik, Kunst, Medien und Wissenschaft. Darunter auch Menschen, die sich als Agnostiker oder Atheisten verstehen, wie Kapellari hinwies. "In diesem weitmaschigen Netz wird niemand vereinnahmt, aber ich bin dabei immer klar ein Mann der katholischen Kirche, ein Zeuge für Jesus Christus."
Der vielfache Buchautor werde oft gefragt, ob er noch einen weiteren Band schreiben wolle. "Ich glaube, dass es höchstens ein Buch über Humor geben könnte", antwortete Kapellari. "Christen haben ja auch immer etwas zu lachen gehabt, auch wenn die jeweiligen Zustände eher zum Weinen gedrängt haben. So ist es auch heute."
Sein Jubiläumsjahr 2021 möchte Kapellari "möglichst bescheiden" begehen, wie er ankündigte. Im Juli soll es einen Gottesdienst mit seinen noch lebenden Studien- und Weihekollegen in der Kapelle des Grazer Priesterseminars geben, zeitnah zum 7. Dezember - 40 Jahre nach seiner Ernennung zum Kärntner Diözesanbischof - möchte sich Kapellari mit seinen Nachfolgern in Graz und Klagenfurt, Wilhelm Krautwaschl und Josef Marketz, im steirischen Benediktinerstift St. Lambrecht zum Gebet und Gedankenaustausch treffen. "Sehr schlicht" solle auch die noch ausstehende Dekretüberreichung durch die Stadt Graz ausfallen, die dem Bischof kürzlich die Ehrenbürgerschaft verlieh.
Quelle: kathpress