Diözesen interpretieren Zahlen als Herausforderung
Die aktuellen Katholikenzahlen zeigen für 2020 einen deutlichen Rückgang der Austrittszahlen, die Austritte bewegen sich aber immer noch auf einem sehr hohen Niveau. Für die Verantwortlichen in den Diözesen sind die Rückgänge deshalb auch kein Grund zu ausufernder Freude, vielmehr verstärkter Auftrag und Herausforderung, für die Menschen da zu sein.
"Im Vorjahr haben nur 1,4 Prozent unserer Mitglieder die Kirche durch Austritt verlassen. Das ist nach wie vor für eine große Institution ein sensationell niedriger Wert", zog der Sprecher der Erzdiözese Wien, Michael Prüller, am Mittwoch gegenüber Kathpress Bilanz. 16.500 Personen 2020 in der Erzdiözese Wien traten aus der katholischen Kirche aus (2019: 19.198). Zugleich konnten bislang 714 Neu- und Wiedereintritte verzeichnet werden (2019: 1.120). 115 Personen widerriefen ihren Austritt (2019: 130). Für 2020 meldete die Erzdiözese Wien 1.135.072 Katholiken (2019: 1.156.923).
Das Pandemiejahr 2020 habe, so Prüller, bekräftigt, was auch schon vorher galt: "Unsere Kirche ist in Österreich sehr attraktiv fürs Dabeibleiben. Sie ist aber leider immer noch wenig attraktiv, wenn es um das Dazukommen geht." Im Vorjahr seien durch Taufen, Wiedereintritte und Übertritte aus anderen Religionsgemeinschaften so wenig Erwachsene zur Kirche gestoßen wie schon lange nicht mehr. Und das "ausgerechnet in einem Jahr, in dem viele Menschen wegen der Pandemie nach Orientierung und Gemeinschaft gesucht haben. Und in dem viele unserer Gemeinden mit Einfallsreichtum und Tatkraft daran gearbeitet haben, ein guter Hafen für die Bedürfnisse und Sehnsüchte der Menschen zu sein", so Prüller.
Dass der Kirche die "Schäfchen in Scharen davonliefen", wie gerne geschrieben wird, stimme freilich nicht und sei auch nicht das Problem. Prüller. "Unsere große Herausforderung ist der ausbleibende Nachwuchs - vor allem auch aus der wachsenden Reihe derer, die gar keiner Religionsgemeinschaft angehören, und denen wir Geborgenheit, Gemeinschaft und einen zweitausend Jahre alten, erprobten Weg mit Gott anbieten können."
"Für alle da, die Hilfe brauchen"
In der Diözese Graz-Seckau gehörten 781.081 Personen im Jahr 2020 der katholischen Kirche an (2019: 794.169). 9.821 Personen traten 2020 aus der Kirche aus (2019: 11.617). Gleichzeitig konnten bislang 920 Wieder- und Neueintritte mit Jahresende 2020 verzeichnet werden (2019: 1.179). 102 Personen widerriefen ihren Austritt (2019: 138). Auch wenn die Austritte zurückgegangen sind, sei es bedauerlich, dass die Zahl der Katholiken in der Steiermark weiter sinke, sagte Thomas Stanzer, Sprecher der Diözese Graz-Seckau, in einer Aussendung: "Uns tut es um jede und jeden leid, die oder der unsere Gemeinschaft verlässt und es ist uns wichtig zu betonen, dass die Katholische Kirche Steiermark natürlich für alle da ist, die Hilfe brauchen - sei es ganz konkret über unsere Caritas oder in Form von spiritueller Begleitung oder mit vielen weiteren Angeboten."
Vielen Menschen sei im Coronajahr 2020 das karitative und spirituelle Engagement der Kirche positiv aufgefallen, so Edith Wieser, Leiterin der Kirchenbeitragsstelle der Diözese Graz-Seckau. Auch die Bedeutung der Gemeinschaft sei in Zeiten von Isolation und Distanz wieder bewusster geworden. Aus Rückmeldungen wisse man, dass etwa der Einsatz der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Telefonseelsorge sowie der Seelsorgerinnen und Seelsorger vielen Menschen in unserem Land Halt gegeben haben.
Besonders spannend und auch ermutigend seien die Gespräche mit Ausgetretenen gewesen, die von vornherein wenig Bezug zur Kirche hatten. "Das zeigt uns, dass den Menschen der Glaube nicht egal ist. Die Auseinandersetzung mit dem Glauben ist gerade in Krisenzeiten wichtiger denn je", so Wieser. - Bei einem Austritt sucht die Kirchenbeitragsstelle (Projekt Pastorale Initiative) telefonischen Kontakt mit jenen, die der katholischen Kirche den Rücken kehren.
Wer wieder in die Kirche eintreten will, ist jederzeit willkommen. Formal genügt es, für den Wiedereintritt zu einem Priester eigener Wahl zu gehen und dort diesen Schritt unkompliziert vorzunehmen.
Zusammenleben und seelische Stärkung
"Es braucht die gesamte kirchliche Gemeinschaft für die Zukunft", betonte die Linzer Pastoralamtsleiterin Gabriele Eder-Cakl in einer Aussendung am Mittwoch. Umso schmerzlicher sei es, wenn über 10.000 Menschen nicht mehr Mitglied der Katholischen Kirche in Oberösterreich sein wollten und 2020 ausgetreten sind. Auch wenn dies ein Rückgang bei den Austrittszahlen sei. "Die Katholische Kirche in Oberösterreich leistet viel für das Zusammenleben und die seelische Stärkung der Menschen. Um ihre Aufgaben bestmöglich erfüllen zu können, braucht sie das Miteinander der gesamten Gemeinschaft der rund 930.000 Mitglieder", so Eder-Cakl wörtlich.
Die Diözese Linz hat mit Stichtag 31. Dezember 2020 insgesamt 927.906 Katholiken (2019: 939.667). Im Jahr 2020 traten 10.108 Personen aus der Kirche aus (2019: 11.097). 679 Personen traten wieder oder neu ein. (2019 waren es 857 Personen.) Zusätzlich widerriefen 75 Personen ihren Austritt (2019: 141).
Im vergangenen Jahr hätten sich die Seelsorgerinnen und Seelsorger immens bemüht, für die Menschen in Oberösterreich da zu sein: "Trotz der oft nötigen räumlichen Distanz wurde auf vielen Ebenen der Kontakt gehalten. Viele Menschen hätten derzeit Sorgen oder auch große existentielle Ängste; "sie werden von uns ernst genommen und begleitet". Auch die Mitarbeiter in den Kirchenbeitrag-Beratungsstellen gingen auf die persönliche finanzielle Situation der Menschen ein, so die Pastoralamtsdirektorin.
Persönlich fügte Eder-Cakl hinzu: "Ja, auch ich ärgere mich über einzelne kirchliche Einstellungen und aus meiner Sicht viel zu langsame Entwicklungen. Ich spreche meinen Ärger zum Beispiel bezüglich Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche deutlich an und engagiere mich innerhalb der Kirche dafür." Sie wolle allen danken, "die durch ihren Einsatz und ihren Beitrag von innen her etwas bewegen und die Anliegen und Aufgaben der Kirche mittragen".
Sie setze sich "für eine zeitgemäße Kirche in dieser Gesellschaft ein, die am Puls der Zeit ist und in die Zukunft geht - nicht rückwärts". Sie freue sich, "dass so viele Pfarren und kirchliche Einrichtungen - zum Beispiel im Bereich der Jugendseelsorge - im vergangenen Jahr innovative und kreative Ideen besonders auch im Bereich Social Media umgesetzt haben".
Auch wirtschaftlich leiste die Kirche in Oberösterreich viel. Eder-Cakl: "Lebendige Pfarrgemeinden mit Festen und Veranstaltungen sind ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor für die Wertschöpfung in der Region. Bei Sanierungen und Neubauten wird im Besonderen auf die Berücksichtigung regionaler Firmen geachtet. Rund 1.500 Kirchen und Kapellen in Oberösterreich sind darüber hinaus ein wichtiges und erhaltenswertes Kulturgut."
Anliegen der Gläubigen wahrnehmen
Für den Innsbrucker Generalvikar Roland Buemberger zeigten die aktuellen Zahlen zur kirchlichen Statistik, dass Kirche und der katholische Glaube noch immer stark in Tirol verwurzelt sind: "Unsere SeelsorgerInnen und kirchlichen MitarbeiterInnen sind diesem Vertrauen und Auftrag verpflichtet, die Anliegen der Gläubigen wahrzunehmen und diese in Qualität, Freude, Verlässlichkeit und Zuversicht zu begleiten. Gleichzeitig muss uns die weiterhin hohe Zahl von Ausgetretenen sehr zum Nachdenken bringen", so der Generalvikar in einer Aussendung am Mittwoch.
Die Diözese Innsbruck zählte 2020 369.768 Katholiken (2019: 374.034). 3.662 Personen verließen die Kirche (2019: 4.313). Die Zahl der Eintritte belief sich 2020 auf 289 (2019: 395). 37 Personen widerriefen ihren Austritt (2019: 54).
"Ein herzliches 'Vergelt's Gott' allen, die der katholischen Kirche in Tirol auch in diesem schweren Jahr treu geblieben sind und uns unterstützen konnten! Auch wenn wir immer noch viele Austritte verschmerzen müssen, glaube ich doch, das Jahr 2020 hat dazu beigetragen, dass viele Menschen die Kirche heute anders beurteilen als noch vor zwölf Monaten", zeigte sich Finanzkammerdirektor Rainer Kirchmair in der Aussendung überzeugt.
Viele Tirolerinnen und Tiroler hätten gespürt und gesehen, dass sowohl die Priester als auch die Haupt- und Ehrenamtlichen der Diözese und der Pfarren bestmöglich für die Gläubigen da sein wollten. Im Jahr 2021 stünden die kirchlichen Organisationen allerdings vor finanziellen Herausforderungen, erklärte Kirchmair: "Uns ist die finanzielle Situation der einzelnen Kirchenbeitragszahler ein besonderes Anliegen. Ich kann nur appellieren, dass vor allem die Kirchenbeitragspflichtigen, die unmittelbar finanziell von der Pandemie betroffenen sind, Kontakt mit unseren Kirchenbeitrags-Service-Stellen aufnehmen, um die individuelle finanzielle Situation bei der Berechnung des Kirchenbeitrages berücksichtigen zu können."
Quelle: kathpress