Karabach-Konflikt: Expertin fordert mehr internationales Engagement
Die Salzburger Armenologin Jasmine Dum-Tragut hat die internationale Staatengemeinschaft aufgefordert, sich endlich tatkräftig im Karabach-Konflikt zu engagieren. Wörtlich hielt sie in einem Interview für die aktuelle Ausgabe des "Pro Oriente"-Magazins fest: "Die Devise heißt jetzt: helfen und einschreiten; eine völkerrechtlich gerechte Lösung für Berg-Karabach und eine für Armenien tragbare und für Aserbaidschan rechtlich bindende Grenzziehung aushandeln; die Türkei von jeglicher Einmischung abhalten." Für Österreich und für die Kirchen im Land gelte ebenfalls das Prinzip "handeln, nicht reden".
"Erhabene Worte" sein zwar Trost für die wunde Seele des armenischen Volkes, "helfen aber nicht Not, Verzweiflung und politische Ohnmacht zu lindern", so Dum-Tragut. Es brauche vielmehr humanitäre Hilfe, medizinische Unterstützung, psychosoziale Betreuung, spezielle Ausbildungs- und Hilfsprogramme sowie gezielte Maßnahmen für die Bewahrung der armenischen Kulturgüter auf jetzt aserbaidschanisch kontrolliertem Gebiet.
Dum-Tragut ist Leiterin des "Zentrums zur Erforschung des Christlichen Ostens" (ZECO) an der Universität Salzburg. Sie erinnerte im Interview auch daran, dass die Armenier in Berg-Karabach versucht hätten, nicht nur das seit dem Krieg von 1988 bis 1994 mühsam Aufgebaute, sondern das seit bereits zwei Jahrtausenden durch ihre Kultur Geprägte zu beschützen: "Berg-Karabach zählt seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. zu Armenien, wurde im 4. Jahrhundert christianisiert und spielte für die kulturelle Autonomie der Armenier zwischen dem 10. und 19. Jahrhundert unter iranischer und russischer Herrschaft eine tragende Rolle."
Unmittelbare Not lindern
Dum-Tragut war Anfang Jänner nach Armenien gereist, um die Spendengelder der von ihr im vergangenen Herbst ins Leben gerufenen Hilfsaktion "#gibHoffnung" persönlich zu übergeben. In der nordost-armenischen Diözese Tavusch besuchte sie Flüchtlingsfamilien, Familien von gefallenen Soldaten und auch kriegsversehrte Soldatinnen und Soldaten.
Es sei möglich geworden, "die unmittelbaren und dringendste Nöte der betroffenen Menschen zu lindern, Kosten für Wohnungssanierung, Heizmaterial, medizinische Behandlungen und Medikamente zu übernehmen", sagte Dum-Tragut der Nachrichtenagentur Kathpress. Für die Kinder habe es Geschenke mit Süßigkeiten und Lernspielen gegeben. In einer ersten Tranche konnte die Salzburger Armenologin 44.000 Euro an Spendengeldern überbringen. Die Hilfsaktion ist freilich nach wie vor am Laufen.
In ihrem Blog berichtete Dum-Tragut täglich über ihre Begegnungen und Erlebnisse. Einige Beispiele von Besuchen bei Familien von Gefallenen: "Arayik, 25, Sportler und Musiker. Vater, Mutter, kleiner Bruder Vartan und Oma Chatun. Arayik wurde in Karabach verwundet, hat noch aus dem Lazarett dort angerufen, es sei nicht schlimm. Auf dem Weg zur Operation ins Militärhospital in Jerevan ist er seinen Verletzungen erlegen. (...) 'Hätte Gott doch mich gerufen, und nicht meinen Arayik. Ich habe meine Leben gelebt, aber er', weint Oma Chatun in meiner Umarmung. Als ich gehe, steckt sie mir eine Tafel Schokolade in meine Handtasche. Das war Arayiks Lieblingsschokolade."
"Lendrosch, 28, Polizist. Wie viele andere Polizisten auch wurde er eingezogen und an die Front geschickt. (...) Lendrosch war verheiratet und hat zwei kleine Mädchen, zwei und vier Jahre alt. Sein Foto steht auf seinem Klavier, das er gern gespielt hat. Lendroschs junge, blasse Ehefrau sagt, die Kinder sind verwirrt, wollen nicht in den Kindergarten und sie suchen Papa. Papa ist im Himmel, er sieht uns von oben zu, sagt Sona, vier Jahre alt. - Es tut einfach weh."
Spenden für die Hilfsaktion "#gibHoffnung" werden weiter dringend erbeten (Spendenkonto: #GibHoffnung, IBAN AT76 3429 0000 0624 0758).
Quelle: kathpress