Polak: Kirche verliert an Einfluss, ist aber "unverzichtbar"
Mit dem Beginn der Moderne zeigt sich laut der Wiener Pastoraltheologin Regina Polak eine mittlerweile deutlich erkennbare Umkehrung: "Nicht Menschen ohne religiöses Selbstverständnis müssen sich rechtfertigen, sondern religiöse Menschen müssen ihre Werte und ihre Glaubenspraxis begründen." Vor allem der kirchliche Umgang mit der Frauenfrage und mit Homosexualität würden einen "Spalt zwischen Lehre und Lebenswelt" zeigen, schrieb Polak in einem "Kommentar der anderen" in der Osterausgabe des "Standard". Diese Wertekonflikte müsse die katholische Kirche im Dialog mit modernen Lebenswelten entschärfen, denn im Kampf gegen die Bedrohung des Humanum sei die Stimme der Kirche "unverzichtbar".
Der Wertewandel in Bezug auf Einstellungen zu Geschlecht und Sexualität sorgen laut den vorliegenden Daten für einen "stillen Exodus der Jugend", warnte die an der Auswertung der Europäischen Wertestudien beteiligte Theologin. Die jüngst davon belege die Erosion gelebter Religiosität mittlerweile auch in "hochreligiösen Ländern" wie Polen, Rumänien und Österreich. Die jüngste Debatte zur Segnung Homosexueller sei für eine Mehrheit junger Menschen "kaum noch nachvollziehbar" gewesen, wies Polak hin. Kritik an der Haltung der Lehramtsträger sei "längst auch im Inneren angekommen und müsse so bearbeitet werden, dass die Kirche ihre Tradition im Horizont dieses Wertewandels und auf der Basis wissenschaftlicher Expertise weiterentwickelt. Sonst werde die Erosion kirchlicher Religiosität rasant voranschreiten, warnte die Theologin.
Damit stehe nicht weniger als das Überleben der christlichen Botschaft auf dem Spiel. "Denn eine entinstitutionalisierte Religiosität wird gesellschaftlich und politisch bedeutungslos." Dass es ein enormer Verlust für die Gesamtgesellschaft wäre, würden wesentliche christliche Inhalte wie die mit Gott begründete Menschenwürde verdunsten, belegte Polak mit der Warnung vor dem Zugriff durch weltliche Interessen: "Großkonzerne, die den Menschen auf seine Arbeitskraft reduzieren, der fragile rechtliche Schutz vulnerabler Gruppen wie zum Beispiel von Flüchtlingen an Europas Grenzen, ungeborenen und behinderten Kindern oder Sterbenden, Antisemitismus und Rassismus u. v. m." seien Gefahren, die den Widerstand der katholischen Kirche erforderten.
Selbstkritische kirchliche Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Wertvorstellungen bedeute keinesfalls völlige Anpassung oder unkritisches Verstummen, schrieb Polak. "Aber in Gesellschaften, in denen Religion massiv auf dem Prüfstand steht, ist der Dialog mit modernen Lebenswelten unverzichtbar."
Quelle: kathpress