Abschied von Wiener "Brückenbauerin für den Frieden" Lonny Glaser
Die Mitte März verstorbene Gründerin des kirchlichen Instituts "Janineum", Lonny Glaser, ist am Montag in einem feierlichen Requiem im Wiener Stephansdom verabschiedet worden. Hauptzelebrant war der Lubliner Erzbischof Stanislaw Budzik, als Konzelebranten fungierten u. a. der emeritierte Wiener Weihbischof Helmut Krätzl und der Eisenstädter Bischofsvikar P. Karl Schauer. Auch die polnische Botschafterin Jolanta Roza Kozlowska nahm an der Verabschiedung teil. Glaser hatte in den 1950er Jahren das "Janineum" gegründet und in den folgenden Jahrzehnten Tausenden Intellektuellen aus Osteuropa Studienaufenthalte in Österreich ermöglicht. Sie war am 16. März im Alter von 96 Jahren in Wien verstorben.
Als "eine der bedeutendsten Frauen der letzten Jahrzehnte" in Kirche, Kultur und Völkerverbindung, würdigte Weihbischof Krätzl die verstorbene "Janineum"-Gründerin bei dem Gottesdienst im Stephansdom. Glaser sei auch spezielles Vorbild für Frauen "ihre Fähigkeiten einzusetzen in einer Kirche, die ohne Frauen nicht leben kann". Mehrere Kardinäle hätten auf die Begabung und das Engagement Glasers gesetzt und mit ihr an der Vereinigung Europas gearbeitet.
In die Geschichte werde Lonny Glaser vor allem durch die Gründung des "Janineum" eingehen, meinte Krätzl, der selbst als Präsident des Instituts wirkte. Die Einrichtung habe zu einer "besonderen Belebung des geistigen Lebens in Österreich, Polen und ganz Europa" beigetragen. Zu Glasers 90. Geburtstag hatte sie Weihbischof Krätzl bereits als "Brückenbauerin für den Frieden über nationale und konfessionelle Grenzen hinaus" gewürdigt.
Als eine "große Frau und Brückenbauerin" bezeichnete auch der Eisenstädter Bischofsvikar Schauer die Verstorbene, die mit ihrem Lebenswerk ihrem Traum verwirklicht habe, andere zur Selbsthilfe zu unterstützen. Das Fundament der "Janineum"-Gründerin sei der Glaube gewesen, "die Kirche ihre Heimat", "auch wenn sie nicht alles vonseiten der Kirche kritiklos hinnehmen konnte", wies Schauer in seiner Predigt hin. Zu Beginn ihrer Laufbahn habe sie zudem prostituierten Frauen geholfen.
Glaser habe durch ihr vielfältiges Engagement "vielen Menschen ein zu Hause gegeben und aus den Gräben der Zukunftslosigkeit und der existenziellen Verworfenheit herausgeführt", so der Eisenstädter Bischofsvikar.
Initiative für geistigen Austausch
Die bis 2009 bestehende kirchliche Stiftung "Janineum" wurde von Lonny Glaser auf Initiative der Kardinäle Franz König (1905-2004) und Stefan Wyszynski (1901-1981) im Jahr 1957 gegründet. Mit der Gründung verband Glaser das Ziel, lange vor dem Fall des "Eisernen Vorhangs" einen Beitrag zum geistigen Austausch und zur Völkerverständigung in Europa zu leisten. Die Stipendiaten mussten auch nicht katholisch sein, sondern "auf christlichem Fundament stehen", wies die Publizistin Prof. Ingeborg Schödl in einem Nachruf in der Wochenzeitung "Die Furche" (Ausgabe 8. April) hin.
Mit großem Einsatz sei Glaser eine Art "'Brückenschlag' zwischen dem freien und dem unterjochten Europa gelungen". Die Arbeit des "Janineum" musste jedoch mit großer Vorsicht vorbereitet und durchgeführt werden, da in der Zeit des "Eisernen Vorhangs" der Arm der Geheimpolizei bis nach Österreich reichte, so Schödl.
Der erste Stipendiat kam bereits im Gründungsjahr, weitere 6.000 Wissenschaftler, Künstler und Studierende aus Polen und anderen damals kommunistischen Staaten in Ost- und Mitteleuropa folgten und nutzten ihre Studienaufenthalte in Österreich zur Weiterbildung, Forschung und Anbahnung von wissenschaftlichen und künstlerischen Kontakten sowie zur Begegnung mit Kultur und Kirche. Einer der prominentesten "Janineum-Studenten" war "Solidarnosc"-Vordenker Prälat Jozef Tischner (1931-2000).
Die Initiative Lonny Glasers half mit, die vom KP-Regime angestrebte Abschnürung der katholischen Intelligenz von Europa zu überwinden. Unter den geänderten Bedingungen seit der "Wende" setzte sich das "Janineum" besonders für Versöhnung und Verständigung ein: Wissenschaftler aus verschiedenen Reformstaaten lebten und arbeiteten gemeinsam als "Janineum"-Stipendiaten in Wien. "Ein Aufenthalt in Österreich ermöglichte den Studierenden bestehende Ressentiments zwischen den slawischen Völkern aufzuarbeiten", betonte Schödl in der "Furche". Tausende Stipendiaten konnten mit Glasers Unterstützung "nicht nur wertvolle fachliche, sondern auch wichtige menschliche Kontakte knüpfen".
Glaser 1997 mit Kardinal-König-Preis ausgezeichnet
Lonny Glaser, geboren am 18. Jänner 1925, verbrachte einen Teil ihrer Jugend im polnischen Bielsko-Biala (Bielitz). Dort wurde sie von ihrer Lehrerin, der Ordensfrau Janina Wizor (nach der das Institut "Janineum" benannt wurde), tief geprägt. 1957, bei ihrem ersten Polenbesuch nach dem Krieg, entstand im Gespräch mit dem damaligen Warschauer Erzbischof Kardinal Wyszynski die Grundidee des "Janineums": die Einladung von polnischen katholischen Akademikern nach Österreich, um ihnen die Möglichkeit zur wissenschaftlichen Arbeit und zum geistigen Austausch mit österreichischen Katholiken zu geben. Der Wiener Erzbischof Kardinal König entsprach der Bitte des polnischen Primas und sah in dem Vorhaben eine gute Möglichkeit, an der "Ostpolitik des Vatikans" mitzuarbeiten. Die Katholiken in Ostmitteleuropa sollten fühlen, dass sie nicht vergessen sind und der "Eiserne Vorhang" die gläubigen Christen nicht wirklich trennen kann.
Glaser wurde für ihr Wirken in den vergangenen Jahren vielfach ausgezeichnet, u. a. erhielt sie 1997 den "Kardinal-König-Preis" und 2008 das Große Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich. Die polnische Jagiellonen-Universität ehrte sie mit der Verleihung des Ehrendoktorats.
Für Lonny Glaser war der "Hintergrund" ihrer Arbeit immer die katholische Kirche: "Nur in der Kirche war es mir möglich, ohne Eigenkapital und als Frau einer vermeintlichen Utopie nachzugehen und einen Nachkriegstraum zu verwirklichen - den Traum von Versöhnung, Verständnis, Frieden und Freundschaft zwischen Menschen, die sich als Feinde gegenüberstehen mussten, obwohl sie zu dem selben Kulturkreis gehören", hielt sie einmal rückblickend fest.
Quelle: kathpress