Österreich gedenkt gemeinsam der Pandemie-Opfer
Die Spitzen von Staat, Kirchen und Religionen haben bei einer gemeinsamen Trauerfeier der bisher knapp 10.000 Toten der Corona-Pandemie in Österreich gedacht. Bundespräsident Alexander Van der Bellen erinnerte bei dem live im TV übertragenen Gedenken am Freitag in bewegenden Worten daran, dass viele Menschen einsam sterben mussten und sprach vom Schmerz des "unvollendeten Abschieds" sowie der Notwendigkeit des gemeinsamen Trauerns. Bundeskanzler Sebastian Kurz appellierte angesichts der Pandemie und ihrer Opfer "Gräben zu überwinden, aufeinander zuzugehen und sich zu versöhnen". Fünf Repräsentanten der Kirchen und Religionen im Land sprachen Gebete.
Die Übertragung in der ORF TV-Thek
Kardinal Christoph Schönborn, der orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis), der evangelische Bischof Michael Chalupka und die Präsidenten der Islamischen bzw. Jüdischen Religionsgemeinschaft, Ümit Vural bzw. Oskar Deutsch beteten für die Opfer, Hinterbliebenen, Erkrankten und das Gesundheitspersonal. Kardinal Schönborn brachte dabei die christliche Gewissheit zum Ausdruck, dass Gott den Menschen nahe ist. Er schloss das Gebet mit der Bitte, dass den Verstorbenen "das Ewige Licht leuchte". Bischof Chalupka sprach im Gebet von der Notwendigkeit, dem Leid und dem Seufzen Raum zu geben sowie dem christlichen Vertrauen darauf, dass niemand tiefer fallen könne, als in Gottes Hand.
Neben Kardinal Schönborn nahmen an dem mit Blick auf die Corona-Schutzvorkehrungen zahlenmäßig sehr eingeschränkten Trauerakt auch der Apostolische Nuntius, Erzbischof Pedro Lopez Quintana, sowie Bischofskonferenz-Generalsekretär Peter Schipka teil. Weitere Vertreter der christlichen Kirchen waren der koptische Bischof Anba Gabriel, der altkatholische Bischof Heinz Lederleitner und der methodistische Superintendent Stefan Schröckenfuchs.
Bei der Gedenkfeier kamen u.a. Vizekanzler und Gesundheitsminister Werner Kogler sowie der Leiter der Intensivmedizin am Wiener AKH, Klaus Markstaller, die Allgemeinmedizinerin Reingard Glehr sowie Birgit Pfleger vom Pflege- und Betreuungsmanagement Wiener Neustadt zu Wort. Auch sie sprachen von den ungewöhnlichen Belastungen für die Angehörigen und das Gesundheitspersonal, etwa durch das Corona-bedingt einsame Sterben von Covid-Erkrankten vor allem in der ersten Phase der Pandemie. Ausdrücklich erzählte die Vertreterin aus dem Pflegebereich, wie sehr es Angehörigen und Pflegepersonal geholfen habe, dass es in ihrer Einrichtung mit einem katholischen Diakon eine Trauerfeier für alle Verstorbenen gegeben habe. Seither gebe es in diesem Pflegeheim auch einen eigens geschaffenen Ort des Trauerns und Erinnerns, berichtete Birgit Pfleger.
Im Rahmen des Trauerakts, der von ORF 2 live übertragen wurde, entzündeten drei Angehörige stellvertretend für alle Hinterbliebenen Kerzen im Gedenken an die Verstorbenen. Moderiert wurde die Feier von Claudia Stöckl die eingangs den Heiligen Augustinus zitierend sagte: "Unsere Toten sind nicht abwesend, sondern nur unsichtbar. Sie schauen mit ihren Augen voller Licht in unsere Augen voller Trauer." Umrahmt wurde die Feier in der Aula der Wissenschaften in Wien durch ein Streichquartett der Wiener Philharmoniker. Auf den Gebäuden der Hofburg, am Bundeskanzleramt, am Außenministerium und am Parlament wurden die Fahnen auf Halbmast gesetzt.
Van der Bellen: Tiefes Mitgefühl
"Ich möchte allen, die im letzten Jahr einen geliebten Menschen verloren haben, auch im Namen der Republik Österreich mein tief empfundenes Mitgefühl ausdrücken. Sie sind nicht allein! Viele, viele, wir alle trauern mit Ihnen", würdigte Bundespräsident Van der Bellen das traurige Schicksal der "vielen, zu vielen", denen in der Pandemie "ein unwiederbringlicher Schatz verloren gegangen" ist. Gleichzeitig dankte das Staatsoberhaupt allen Menschen in den Krankenhäusern und Pflegeheimen, die Sterbende unermüdlich fürsorglich betreut haben "und ihnen im Augenblick des Todes beigestanden sind".
Van der Bellen erinnerte daran, dass viele einsam sterben mussten und sprach sichtlich berührt, dass dieser "unvollendet Abschied" besonders schmerze. Es gebe aber auch die "tiefe menschliche Weisheit", die hinter der Unwiderruflichkeit des Todes steht: "Das Leben ist wertvoll. Unendlich wertvoll. Lassen Sie uns unsere Verstorbenen gemeinsam in liebender Erinnerung im Herzen behalten. Und lassen Sie uns das Leben schätzen."
Kurz-Appell: Gräben überwinden
"Die Corona-Pandemie hat uns viel abverlangt. Wahrscheinlich mehr, als wir uns alle vorstellen hätten können", verwies Kanzler Kurz auf "Wunden und Narben, die uns noch lange beschäftigen werden". Jeder und jede einzelne der Corona-Toten "wird uns, als Gesellschaft, fehlen". Ihr Schicksal sollte "Warnung sein, dass wir als Gesellschaft dieses heimtückische Virus niemals unterschätzen".
Neben dem persönlichen Leid habe Corona auch tiefe Gräben in der Gesellschaft gebracht - "zwischen jenen, die die Ansteckung fürchten und bereit sind, ihre Freiheit maximal einzuschränken, und jenen, die die Ansteckung weniger oder nicht fürchten und nicht bereit sind, ihre Freiheit dafür einzuschränken", so Kurz. Der Weg, bis alle Wunden geheilt und alle Gräben zugeschüttet sind, werde noch ein langer sein. Aber das Ziel müsse sein, "diese Gräben zu überwinden, aufeinander zuzugehen und uns auch wieder zu versöhnen", appellierte der Kanzler: "Wir alle tragen Verantwortung, dass wir uns von diesem Virus - das sich niemand ausgesucht hat - nicht spalten lassen", damit Österreich "in den nächsten Monaten gestärkt und geeint aus dieser schwierigen Zeit, aus dieser Krise hervorgehen wird".
In einer Gesprächsrunde dankte Vizekanzler Kogler - unter Verweis auf die Erfahrung mit seinem Vater, der wochenlang auf der Intensivstation lag - allen Ärzten, Krankenschwestern und Pflegern. Es sei beeindruckend, "mit welchem Einsatz, welcher Kompetenz und Professionalität, aber auch mit wie viel Menschlichkeit" sie unter diesen schwierigen Umständen um das Leben Erkrankter ringen und Sterbende begleiten.
Aktuell verzeichnet Österreich bisher 9.843 Opfer der Pandemie. 2.122 lagen am Freitag in den Spitälern, 558 von ihnen auf Intensivstationen. 550.470 gelten als genesen, 2.334.458 Impfungen wurden bis dato verabreicht.
Quelle: kathpress