Medienethiker: Corona zeigt Wichtigkeit von Qualitätsjournalismus
Corona hat die Wichtigkeit des Qualitätsjournalismus verdeutlicht: "Wir haben mit Beginn der Pandemie gesehen, wie wichtig Einordnung und Wissensvermittlung sind", erklärte Alexander Filipovic, Professor für Sozialethik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Uni Wien, im Interview der Wochenzeitung "Die Furche" (29. April). In der Bevölkerung gebe es "Sehnsucht nach richtiger Information und nach Transferleistungen aus der Wissenschaft in verständliche Sprache". Die Politik sei im Umgang mit Wissen und Wissenschaft überfordert, gleichzeitig werde deutlich, "dass die Wissenschaft selber die Wissenschaftskommunikation nicht erfunden hat". Umso wichtiger seien Medien als Schnittstelle, die Wissen in die breite Öffentlichkeit übertragen, so Filipovic.
Freilich zeige sich mittlerweile, dass Entscheidungen der Politik nicht nur rein wissensgetrieben, sondern durch Interessen oft kleiner lautstarker Gruppen an Lockerungen geprägt sind, sagte der früher in München Medienethik lehrende deutsche Theologe. Die Orientierung gehe weg von der "rationalen Lösung", und Medien gerieten als "Lügenpresse" unter Verdacht der Packelei mit den "Mächtigen". Bei den sogenannten Querdenker-Demonstrationen würden Journalisten sogar angegriffen. "Aber die Bedrohung aus dieser Ecke ist relativ klein", meinte der Medienethiker.
Eine Entwicklung, die Sorgen bereite: "Nachrichten kommen immer seltener durch Journalisten verantwortet zu den Menschen, sondern durch Algorithmen und Social Media", so Filipovic. "Das ist keine gute Situation." Untersuchungen zeigten, dass sich die Nachrichtenrezeption zu den elektronischen Medien verschiebt - zu Websites oder auch News-Apps. "Aber da stecken viele algorithmische Nachrichtensortierungen dahinter, die nicht von Journalisten verantwortet, sondern von Maschinen auf der Basis von Klickzahlen durchgeführt werden." Auch für die Social Media gilt nach den Worten des Experten: "Das, was mein Umfeld mag, was dort Aufmerksamkeit verursacht, das wird auch mir eingespielt." Dabei gingen die journalistische Perspektive und die Verantwortungsperspektive verloren.
Politik muss Qualität fördern
"Wir sehnen uns da immer nach der guten alten Zeit zurück, wo es Qualitätsmedien gab und gut ausgebildete Journalistinnen und Journalisten die öffentliche Kommunikation strukturiert haben", so Filipovic. Dabei sei die Zahl an festen Stellen in allen Qualitätsmedien stark zurückgegangen, und gerade mit Wissenschaftsjournalismus und seinen oft sperrigen Themen lasse sich nicht so viel Geld verdienen. Boulevardmedien, die auf die Masse zielen, würden dagegen "immer die Geschichten bringen, die auf Einfachheit zielen", erklärte der Ethiker. "Was Boulevardjournalisten können, ist, das Komplizierte auf eine Überschrift zu bringen. Es wäre toll, wenn man das nutzen könnte für einen informativen Journalismus. Hier sehe ich eine moralische Verantwortung."
Qualitätsjournalismus muss nach Überzeugung von Filipovic öffentlich gefördert werden. Politiker, die der Demokratie verpflichtet sind, sähen zwar, wie wichtig eine qualitätsvolle Medienlandschaft ist. "Aber gleichzeitig ist politische Kommunikation heutzutage hoch integriert, sodass kritischer Journalismus auch ein Störfeuer ist, den man durch die direkte Ansprache des Publikums auch draußen halten will." Aber da sei an die Verantwortung von Demokraten zu erinnern, betonte Filipovic, "und die ist auch einzufordern".
Quelle: kathpress