Bugnyar: Nahost-Gewalt endet, "wenn politische Nachteile überwiegen"
Der Rektor des Österreichischen Pilger-Hospizes in Jerusalem, Markus Stephan Bugnyar, glaubt nicht an ein schnelles Ende der aktuellen Gewaltwelle im Nahen Osten. Das sei "unwahrscheinlich", profitierten doch die Führungen der beteiligten Konfliktparteien im Moment alle davon, wie Bugnyar am Mittwoch in einer Stellungnahme gegenüber der Nachrichtenagentur Kathpress erklärte. Enden werde die akute Krise, "wenn die politischen Nachteile überwiegen", meint der seit rund zwei Jahrzehnten in Jerusalem lebende österreichische Priester.
So könne die Palästinenserregierung in Ramallah derzeit von Korruptionsvorwürfen ablenken und die Hamas-Regierung in Gaza sich "als Verteidiger und Schützer des Volkes präsentieren". Die israelische Regierung wiederum "kann und muss Stärke und Entschlossenheit demonstrieren", schilderte Bugnyar. "Und auch hier werden einige davon profitieren können", spielte der Pilger-Hospiz-Rektor auf die laufenden Koalitionsverhandlungen in Israel an.
Es sei zudem "nicht ganz unwahrscheinlich", dass die Hamas "auf ihre Weise" versuche, auf die israelischen Regierungsverhandlungen Einfluss zu nehmen.
Hintergrund hierzu ist, dass der aktuell als Übergangspremier amtierende Benjamin Netanjahu zuletzt erneut mit dem Versuch einer Regierungsbildung gescheitert ist. Der bisherige Oppositionsführer Jair Lapid soll nun eine Koalition formen, braucht dazu aber auch die Unterstützung einer kleinen arabischen Partei.
Neue Intifada "unwahrscheinlich"
Eine klare Einschätzung lieferte Bugnyar zum Hamas-Ultimatum, wonach Israel seine Kräfte vom Tempelberg und aus dem Ostjerusalemer Stadtteil Scheich Jarrah zurückziehen soll. "Man muss weder gewiefter Analyst sein noch biblischer Prophet, um zu wissen: Das ist illusorisch", stellte der Hospiz-Rektor fest.
Dass die aktuelle Krise den Beginn einer neuen Intifada darstellt, hält Bugnyar dennoch für "unwahrscheinlich". Dazu fehlten die finanziellen Mittel, umso mehr nach einem Jahr Corona. "Intifada bedeutet ja, dass sich die gesamte palästinensische Gesellschaft erhebt. Dazu fehlt auch der Konsens. Attentate, Ausschreitungen, Angriffe: Ja. Intifada: Nein."
Erneut erklärte Bugnyar auch, dass verschiedene Ursachen zu der aktuellen gefährlichen Eskalation geführt haben, die Situation habe sich über Tage "aufgeschaukelt". Anfangs sei es um die abgesagten Wahlen in den Palästinensergebieten gegangen, wo 2006 zuletzt gewählt wurde. Die Regierung in Ramallah sagte den Wahlgang wieder ab, "viele meinen, um von ihren internen Problemen abzulenken", so Bugnyar. Danach sei der Streit um Eigentum in arabischen Teil Jerusalems, in Scheich Jarrah, wieder hochkocht - ein Thema, das "wesentlich komplexer" sei, "als es auf den ersten Blick scheint", wie der Hospiz-Rektor hinzufügte. Zudem gehe der muslimische Fastenmonat Ramadan gerade zu Ende und der israelische "Jerusalem-Tag" falle heuer in diesen Zeitraum. "Das war der letzte Funken zum Vollbrand."
Quelle: kathpress