Femizide: Kirchen-Organisationen fordern mehr Hilfe für Gewaltopfer
Vor dem Hintergrund der jüngsten Häufung von Frauenmorden in Österreich fordern katholische Organisationen mehr gezielte Hilfe für Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt sind, aber auch für Täter. Nicht nur mehr Geld für einschlägige Beratungsangebote und Hilfsmaßnahmen sei dringend notwendig, sondern auch eine öffentliche Debatte über das Thema Gewalt gegen Frauen, betonte etwa Nicole Meissner, Geschäftsführerin der St. Elisabeth-Stiftung der Erzdiözese Wien, in einem Interview für die aktuelle Ausgabe der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" (Donnerstag).
Betroffenen Frauen müsse bewusst werden, "dass sie Gewalt nicht erdulden, nicht aushalten müssen", sagte Meissner. "Sie müssen wissen, dass es geeignete Stellen gibt, an die sie sich mit ihren Problemen wenden können und wo ihnen geholfen wird." Dazu brauche es aber auch die Entstigmatisierung des Themas Gewalt gegen Frauen: "Wir müssen da in der Öffentlichkeit viel mehr darüber reden, müssen Beratungsstellen besser bekannt machen."
Der Weg zu einer Beratungsstelle sei für betroffene Frauen oft ein langer. "Das Paradoxe dabei: Die Frauen sind eigentlich die Opfer, schämen sich aber offensichtlich dafür, dass ihnen das passiert. Sie sehen die Schuld für die schlechte Behandlung oft bei sich selbst", berichtete die Leiterin der seit 2010 bestehenden kirchlichen Einrichtung, die Schwangere und Frauen mit kleinen Kindern in Not unterstützt. In der Rechtsberatung sowie in den Mutter-Kind-Häusern der Stiftung versucht man gemeinsam mit den Frauen Perspektiven zu erarbeiten und einen möglichen Weg aus der Krise zu suchen.
Hilfe bräuchten aber auch die Männer, stellte Meissner klar. "In unserer Familienberatungsstelle sitzen immer wieder auch Männer, denen sehr wohl bewusst ist, dass es ein Problem gibt, dass sie dieses Problem verursachen und die auch daran arbeiten wollen." Als Gründe für die Gewalt gab sie u.a. veraltete Rollenbilder an, in denen der Mann seinen Willen mit aller Macht durchsetzen müsse. Gefragt ist laut Meissner aber auch die Zivilcourage von jedem Einzelnen. Hierbei laute das Motto "Hinschauen, nicht wegschauen".
Gewalt-Prävention könne nur gelingen, wenn "Frauen gestärkt werden, 'Nein' zu sagen und Männer darin unterstützt werden, sich von einem patriarchalen Selbstverständnis zu verabschieden und sich zu verändern", betonte zuletzt auch die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs (kfbö), Angelika Ritter-Grepl. Es gelte problematische Geschlechterrollenbilder aufzubrechen, da "Männer, die sich dieser Muster bewusst werden und sie durchbrechen, nicht Gefahr laufen, auf Biegen und Brechen Dominanz zeigen zu müssen".
"Jede betroffene Frau, jedes betroffene Kind schlägt eine neue Wunde und ist Appell an unser aller Verantwortungsbewusstsein", mahnte Ritter-Grepl. Auch die Politik sei daher in die Pflicht zu nehmen, da diese für die notwendigen finanziellen und infrastrukturellen Ressourcen in der Betreuung von Opfern sorgen müsste.
Die Bundesregierung kündigte am Mittwoch nach einem virtuellen runden Tisch mit Opferschutzeinrichtungen ein Maßnahmenpaket an. Als Sofortmaßnahme würden zusätzlich 24,6 Millionen aufgebracht, wie Frauenministerin Susanne Raab bekannt gab. Gewaltschutzeinrichtungen hatten zuvor 228 Millionen gefordert.
Das Geld soll unter anderem in einen Ausbau der Familienberatungsstellen und der Familiengerichtsbarkeit fließen, sowie in die Täterarbeit, Prozessbegleitung sowie für Gewaltschutzeinrichtungen. Künftig sollen zudem bei Stalking Opferschutzorganisationen sofort informiert werden. Innenminister Karl Nehammer kündigte zudem eine Prüfung des Waffenverbots bei Wegweisung bzw. Betretungsverbot an.
Quelle: kathpress