Theologe: "Künstliche Intelligenz" verlangt Selbstverantwortung
Egal ob Sprachassistenten und Chatbots, automatisierte Texterstellung oder "KI"-gestützte Analysen: Die sogenannte "Künstliche Intelligenz" hat die Kommunikationspraxis in den letzten Jahren entscheidend verändert. Angesichts dieser Entwicklungen plädiert der Wiener Mediziner, Moraltheologe und Priester, Matthias Beck, im Kathpress-Interview für eine höhere Eigenverantwortung vonseiten der Konsumenten und Leser. "Ob ich etwas lese, anklicke oder anschaue, liegt bei mir selbst, denn die Algorithmen können wir nicht beeinflussen". Solange der Mensch die Freiheit habe sich für oder gegen Soziale Medien oder Online-Angebote zu entscheiden, trage er auch Verantwortung. Als reale Gefahr bezeichnet Beck jedoch den "gläsernen Menschen" als Folge des Nutzerverhaltens.
Auch das aktuell brisante Thema "Fake News" sei besorgniserregend: "Wenn ein amerikanischer Präsident anfängt, bestimmte Dinge zu twittern, die nicht der Wahrheit entsprechen, wird es mühsam", so der Moraltheologe wörtlich. An ein prophezeites Ende der Demokratie als Folge von "Fake News" glaube er aber nicht. Was es aber dringend brauche, sei eine höhere Reflexion vonseiten der Leser und Nutzer Sozialer Medien, sowie eine Ethik der Informationswissenschaft. "Je mehr Internet, je mehr Maschinen lernen, desto mehr kritisches Denken brauchen wir", konstatiert der Theologe im Kathpress-Gespräch anlässlich des bevorstehenden Welttags der sozialen Kommunikationsmittel (16. Mai).
Notwendig sei in puncto "KI" auch eine präzise Sprache, fordert Beck. Denn so intelligent wie Menschen könnten Maschinen nie sein. "KI" sei folglich ein irreführender Begriff, da das Wort Intelligenz vom lateinischen "intellegere" komme, das etwa "verstehen, zwischen den Zeilen lesen, Hintergründe erkennen" bedeute. Maschinen könnten maximal eine eingeschränkte Form der Intelligenz besitzen: "Maschinen können zwar schneller rechnen und bestimmte Funktionen besser ausführen als wir Menschen, aber sie wissen nicht, was sie tun", es fehle das Bewusstsein, stellt der Theologe klar.
Entscheidungen basierten bei Menschen in einer Mischung von Rationalität und Emotionalität, eine Maschine könnte hingegen nur auf Eingaben folgen und trage folglich auch keine Verantwortung für ihr Tun. Letztere bleibe beim Menschen, egal ob es sich dabei um ein selbstfahrendes Auto oder einen Algorithmus für Online-Shops oder soziale Medien handle, erklärt Beck, Mitglied der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt.
"Gläserner Mensch"
Ähnlich verhält es sich laut Beck beim sogenannten "Maschinellen Lernen", einem Teilgebet der "KI": So könne zwar ein künstliches System - eine Maschinen - auf Basis von Daten und Statistiken "künstlich lernen" und bestimmte Muster erkennen; die Einordnung und Reflexion der Informationen liege jedoch weiterhin beim Menschen. Als Gefahr des "Machine Learning" nennt der Wiener Theologe etwa Empfehlungsdienste von Online-Händlern oder die Beeinflussung des Konsum- oder Nachrichtenverhalten in Sozialen Medien, die mittels Gesichtserkennung oder Benutzerverhalten eine Art "Profil" anlegen.
Der "gläserne Mensch" sei damit keine Dystopie, sondern bereits Realität: Man könne abgehört werden und selbst medizinische Daten könnten von Unternehmen via Apps und Benutzerverhalten gesammelt und schließlich an Versicherungsgesellschaften übermittelt werden. "Damit kann eine Art 'Zukunftsprofil" von Menschen entwickelt werden, ob dieser laut aktuellem Internetprofil in 20 Jahren schwer krank oder einen Autounfall haben wird." Der Mensch werde folglich unfreier, weswegen eine Aufklärung über die Folgen des eigenen Online-Nutzerverhaltens und Medienkompetenz immer wichtiger werde, mahnt Beck. Positiv sieht der Theologe daher die europaweite Datenschutzgrundverordnung, da nicht nur Kundenkonten, sondern auch ganze Benutzerprofile gelöscht werden müssen, wenn dies Personen verlangen.
Dringend nötig sei aber eine an "KI" angepasste Gesetzgebung sowie ein ausreichender Daten- und Jugendschutz, fordert Beck. Als aktuelles Problem nennt er etwa den unlimitierten Zugang zu Internet, der Kindern und Jugendlichen auch den Zugang zu Pornografie erleichtert. Hier müssten Staat und Eltern eingreifen, aber auch der Ethik- und Religionsunterricht seien gefragt, um Kinder und Jugendliche für den Umgang mit Medien zu sensibilisieren.
Quelle: kathpress