Theologie-Podcast mit differenzierter Kritik an "Islam-Landkarte"
Bislang haben sich katholische und evangelische Theologinnen und Theologen eher zurückhaltend geäußert im Blick auf die jüngste Debatte um die "Islam-Landkarte". Die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak hatte in einem Interview der Kooperationsredaktion der Kirchenzeitungen zwar Vorbehalte gegenüber einer politischen Vereinnahmung geäußert, doch eine differenziertere theologische Auseinandersetzung fehlte bislang. Der Podcast der Theologischen Fakultäten in Österreich, "Diesseits von Eden", hat nun fünf Fachvertreter zu Wort kommen lassen, die unter anderem Kritik am gesamten "Framing" der Landkarte üben sowie am mangelnden politischen Fingerspitzengefühl bis hin zur Kritik an einer intendierten Aufforderung zur Denunziation muslimischer Mitbürger.
Einig zeigten sich die Theologinnen und Theologen - darunter die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak, die Innsbrucker Theologin Michaela Quast-Neulinger, sowie die Religionswissenschaftler Franz Winter (Graz), Wolfram Reiss (Wien, evang.) und Martin Rötting (Salzburg) - darin, dass prinzipiell nichts gegen das Projekt einer spezifischen religiösen Kartografie zu wissenschaftlichen Zwecken spricht. Dies sei ein gerade in der Religionswissenschaft durchaus übliches Mittel, solange der Datenschutz gewährleistet bleibe und die Karten in Absprache mit den betreffenden Institutionen erstellt würden.
"Das eigentliche Problem sind der Kontext und das Framing, in dem diese Landkarte präsentiert wird, nämlich das islamfeindliche Klima in Österreich und die Präsentation durch die 'Dokumentationsstelle Politischer Islam'", so Polak in dem Podcast. Die Situation im Blick auf den Islam sei in Österreich "ohnedies schon angespannt" - wenn nun eine solche Landkarte präsentiert werde, so könne dies "nur als politisch geäußerter Generalverdacht gegenüber allen Muslimen und Musliminnen wahrgenommen werden".
Es dürfe daher auch angezweifelt werden, ob die Landkarte tatsächlich hilfreich sei im Kampf gegen den politischen Islam. "Eher habe ich den Eindruck, dass sich die Fronten weiterhin verhärten. Die aufgeheizte Diskussion in Österreich zeigt das deutlich: Das Sicherheitsrisiko für muslimische Einrichtungen steigt; und außerdem wird es weiterhin nahezu unmöglich, beide Probleme, also das Problem des politischen Islam und der Islamfeindlichkeit, gemeinsam zu diskutieren und für beides sachorientierte Lösungen zu finden."
Der evangelische Wiener Religionswissenschaftler Prof. Wolfram Reiss geht in dem Podcast noch einen Schritt weiter: Durch die Vermischung von wissenschaftlichen Zielen mit polizeilichen und geheimdienstlichen Zielen bei der Bekämpfung von extremistischer Gewalt würden nicht nur wissenschaftliche Prinzipien verletzt, sondern die hinter dem Projekt stehenden Regierungsparteien würden mit dieser Landkarte dem Fundamentalismus und der Radikalisierung zusätzlich in die Arme spielen: "Eine anerkannte Religionsgemeinschaft wird pauschal an den Pranger gestellt. Mitbürgerinnen und Mitbürger werden aufgefordert, Informationen zu liefern, ihre Nachbarn zu denunzieren. Jeder, der meint, irgendwo islamistische Umtriebe zu sehen, soll das melden. Wer überprüft das eigentlich, bevor solche Informationen auf einer Islam-Landkarte landen? Nach welchen Kriterien wird es überhaupt eingestuft? Hier sind viele Fragen offen."
Als bestes Mittel in der Bekämpfung "islamistischer Umtriebe" bezeichnete der Theologe ein öffentliches Sichtbarmachen religiöser Bauten gleich welcher Religion: "Hätten wir z.B. in jedem Wiener Stadtbezirk eine schöne repräsentative Moschee statt 30 bis 40 versteckte Hinterhofmoscheen, so wäre das meines Erachtens einer der wichtigsten Beiträge, um islamistischen Umtrieben den Boden zu entziehen. Musliminnen und Muslime könnten nämlich dann feststellen, dass sie ein selbstverständlicher, akzeptierter Teil der Gesellschaft sind."
Die Innsbrucker Theologin Michaela Quast-Neulinger und der Grazer Theologe Franz Winter werten sehen in der aktuellen Diskussion grundlegendere Probleme aufbrechen: nämlich jene einer ausstehenden Neujustierungen des Verhältnisses von Staat und Religion. Der Begriff "politischer Islam" werde "wider alle Wissenschaftlichkeit zum absoluten Frame der Diskussion um den Islam gemacht", so Quast-Neulinger. Winter ortet indes eine "Stellvertreter-Diskussion" in der Debatte um die Islam-Landkarte. Letztlich stehe die Frage nach dem Verhältnis von Religion und Staat insgesamt auf dem Prüfstand: "Möglicherweise ist die Diskussion um den politischen Islam einfach nur ein Präludium einer Diskussion, die wir in Zukunft auch in Bezug auf andere religiöse Traditionen führen, bis hin zu den Haupttraditionen", so der Grazer Theologe.
In dieser Hinsicht kann auch Martin Rötting, Professor für Religious Studies an der Universität Salzburg, der Debatte etwas Positives abgewinnen: Die Diskussion um die Islam-Landkarte sei "sehr hilfreich", so Rötting, da sie einen Lernprozess initiiere, wie mit Stigmatisierungen insgesamt umgegangen werden sollte.
Website Podcast "Diesseits von Eden"
Quelle: kathpress