Domkapellmeister: Musik "Gegenmittel zur Verrohung des Gemüts"
Die Beschäftigung mit Musik - und mit Kunst generell - ist "Nahrung für Seele und Geist und ein wirksames Gegenmittel zur Verrohung des Gemüts". Das hat der St. Pöltner Domkapellmeister Otto Kargl im einem Gastkommentar in der St. Pöltner Kirchenzeitung "Kirche bunt" erklärt. Zugleich wandte sich der renommierte Kirchenmusiker, der wegen seiner bevorstehenden Pensionierung heuer letztmalig das Festival "Musica Sacra" kuratiert, gegen Auswüchse des Musikgeschäfts: "Das beschwichtigende, einlullende und Wellness-getränkte Getue im Musik-Betrieb war mir immer schon sehr suspekt." Auch die Kirchenmusik dürfe nicht als "Behübschung" oder "Hochglanzschmuck" missbraucht werden, betonte Kargl.
Zum reichen christlichen Musikerbe sagte er: "Wir sind beschenkt mit einem mehr als tausend Jahre alten musikalischen Schatz". Kirchenmusik könne helfen, in den Hörenden "Emotionen wiederzubeleben oder sogar neu zu entdecken".
Und die vertonten theologischen Inhalte aus dem Alten und Neuen Testament vermitteln laut Kargl stets auch eine politische Botschaft, die nicht übersehen werden dürfe. Er selbst könne z.B. Bachs "Magnificat" nicht hören, ohne betroffen und beeindruckt zu sein von dem zugrundeliegenden Gespräch zwischen zwei Frauen - Maria und Elisabet -, in dem es heißt: "Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen." Auch bei Mendelssohns "Elias" könne er nicht umhin, "an eine von politischen Führern aufgehetzte Masse zu denken, die über Angst und durch Spaltung der Gesellschaft gewaltbereit und zum Töten verleitet wird".
Als weiteres Beispiel für aufrüttelnde Sakralmusik erinnerte der Domkapellmeister an Händels Oratorium "Israel in Egypt". Dieses hörend, möchte Kargl "unseren sogenannten christlichen Politiker/innen" zurufen: "Jeder Mensch, der verfolgt, unterdrückt, missbraucht wird, hungert und dessen Lebensbedingungen entmenschlicht sind, hat Anspruch auf ein 'Gelobtes Land'!"
Solche und andere oft schon fast "grausam schöne" Musik möge "bewusst machen, aufrütteln, verwirren und verstören", wünscht sich der Kirchenmusiker. Vielleicht könne sie dadurch "heilen, sensibilisieren, Geist, Herz und Seele hell machen". Kargl äußerte die Hoffnung, "dass Musik den Menschen, wenn nicht besser, so doch menschlicher machen kann".
"Musica Sacra" und ihr Inspirator
Das traditionsreiche Festival Musica Sacra ist aus dem herbstlichen Veranstaltungskalender von St. Pölten und seiner musikalischen Umgebung nicht mehr wegzudenken. Die Konzerte finden im anregenden Ambiente von Kirchen- und Klosterbaukunst statt und "machen das Festival zu einem Gesamtkunstwerk mit Seltenheitswert", wie es auf der Website heißt. Hochkarätig gestaltete Sonntagsgottesdiensten in Klosterkirchen runden das Programm ab. Auftaktkonzert ist ein von Otto Kargl geleitetes Konzert mit Wolfgang Amadeus Mozarts Requiem und der Uraufführung von Franz Thürauer: "Löscht den Geist nicht aus" am 12. September im St. Pöltener Dom.
Der 1957 in Gaal bei Seckau (Steiermark) geborene Otto Kargl ist seit 1992 Domkapellmeister in St. Pölten, bereits 1984 gründete er mit Studienkollegen das auch im diesjährigen Festival auftretende Vokalensemble "cappella nova Graz", das heute als einer der renommiertesten österreichischen Kammerchöre gilt. Kargls Ausbildung erfolgte an der Grazer Musikhochschule, wo er Kirchenmusik, Orgel und Instrumentalpädagogik studierte. Weitere Studien u.a. bei John Elliot Gardiner folgten. Seit 1991 lehrt Kargl am Konservatorium für Kirchenmusik der Diözese St. Pölten, seit 1992 ist er künstlerischer Leiter des Festivals Musica Sacra in Niederösterreich.
(Weitere Info zu Konzerten und Tickets: https://festival-musica-sacra.at)
Quelle: kathpress