Scheuer: "Assistenz zum Leben" statt assistierter Suizid
Ein eindringliches Plädoyer für ein Leben in Würde bis zuletzt und gegen den assistierten Suizid hat der Linzer Bischof Manfred Scheuer gehalten. Was es brauche, sei eine "Assistenz zum Leben", aber keine Hilfestellung zur Selbsttötung, so der Bischof. Er äußerte sich Freitagnachmittag im Rahmen der feierlichen Segnung der neuen Räumlichkeiten des St. Barabara Hospizes in Linz.
Wenn Menschen Todeswünsche äußern, so meinten sie in den allermeisten Fällen nicht, dass sie nicht mehr leben wollen, sondern dass sie "so" nicht mehr leben wollten. Im Wesentlichen gehe es darum, menschliche Nähe zu schenken, Schmerzen zu lindern und eine tatsächliche Autonomie zu gewährleisten, so der Bischof: "Wir müssen Einsamkeit bekämpfen und auch Angehörige in dieser herausfordernden Situation entlasten. Es geht darum, Todeswünsche ernst zu nehmen und trotzdem innerhalb schwieriger Umstände ein Mindestmaß an Lebens-Zuversicht zu vermitteln." All das sei Teil einer notwendigen Begleitung für ein tatsächlich "menschenwürdiges Sterben".
Es werde häufig suggeriert, dass ein würdiges Lebensende nur durch eine vorzeitige Beendigung des Lebens möglich wäre. Das spiegle aber nicht im Geringsten wider, "dass wir mit der Palliativmedizin vielfältige Möglichkeiten haben, um ein würdiges Lebensende zu begleiten".
Der Linzer Bischof warnte zudem davor, dass die ethischen Fragen am Lebensanfang und am Lebensende in intensiver Wechselwirkung mit dem Problem des Umgangs mitten im Leben stünden: "Zugang zu medizinischer Behandlung und Leistung, soziale Lebensbedingungen, Bildung als wichtige Grundlage für Lebenschancen, Vorsorge im Alter, Sicherheit, Frieden, Asyl und Migration. Was um die Lebensränder gesellschaftlich besprochen wird, ist ein Signal für das, was uns künftig auch in der Lebensmitte betreffen kann." Die Gefahr sei nicht von der Hand zu weisen, "dass Menschenwürde auf Gesundheit, Tüchtigkeit, Jugendlichkeit, Souveränität, wirtschaftliche Brauchbarkeit und Effizienz oder auch Sportlichkeit und Schönheit reduziert wird". Würde und Lebensrecht dürften aber nicht abgestuft werden.
Scheuer zitierte in diesem Zusammenhang auch Papst Franziskus. Es gelte zu verhindern, dass der Mensch sich selbst zum Objekt einer "Wegwerfkultur" degradiert, wenn er sich nicht mehr leistungsstark, unabhängig oder gesund genug empfindet.
Ein humaner Sterbebeistand, der diesen Namen verdient, verfolge das Ziel, einem sterbenden Mitmenschen Raum für die Annahme seines eigenen Todes zu gewähren. Sie belasse ihm das Recht auf das eigene Sterben - "nicht nach der Art der manipulierten Selbsttötung, sondern im Sinn einer bewussten Annahme des Todes". Vonseiten der Ärzte, Pflegekräfte und der Angehörigen solle dies durch wirksame Schmerzlinderung, aufmerksame medizinische Pflege und mitmenschliche Nähe unterstützt werden.
Erwartungen an den Gesetzgeber
Aus Sicht der Kirche habe die bisherige Rechtslage am Lebensende in Österreich dem Anliegen Rechnung getragen, "dass jeder Mensch es wert ist, geschützt zu werden", so Scheuer im Blick auf den Verfassungsgerichtshof. Dieser hatte im Dezember 2020 die Regelung gekippt, wonach Beihilfe zum Suizid strafbar ist, und die Legislative mit der Neuformulierung des entsprechenden Gesetzes bis spätestens Jahresende 2021 beauftragt. Bis jetzt liegt allerdings noch kein neuer Gesetzesentwurf vor.
"Wir appellieren an den Gesetzgeber, Maßnahmen zu setzen, die verhindern sollen, dass aus der rechtlichen Möglichkeit zum assistierten Suizid ein 'inneres Sollen' wird", so Bischof Scheuer. Dazu gehöre die Absicherung und der Ausbau der Suizidprävention wie auch die flächendeckende, wohnortnahe und leistbare Palliativ- und Hospizversorgung sowie psychosoziale Begleitung in Krisensituationen für alle, die sie brauchen, bis hin zu einem Rechtsanspruch.
Niemand dürfe zudem zur direkten oder indirekten Mitwirkung an einem Suizid gedrängt werden; weder als Privatperson noch als organisatorische Einheit wie etwa Krankenhausträger oder Pflegeheime. Scheuer: "Ärzte und Angehörige der Gesundheitsberufe sollen weiterhin ausschließlich dem Leben dienen dürfen. Zum Leben gehört das Sterben, aber nicht das Töten. Assistierter Suizid darf daher niemals als ärztliche Leistung oder sonst eine Leistung eines Gesundheitsberufes verstanden werden."
Wie Scheuer weiter sagte, habe der Verfassungsgerichtshof bisher noch nicht das "Verbot der Tötung auf Verlangen" aufgehoben - ein Umstand, der vonseiten der Politik mehrheitlich begrüßt wurde. Dieses Verbot sollte deshalb mit einer Verfassungsmehrheit im Parlament abgesichert werden, forderte der Bischof.
Einziges stationäres Hospiz in Oberösterreich
Das St.-Barbara-Hospiz in Linz ist das bisher einzige stationäre Hospiz in Oberösterreich. Träger sind die Elisabethinen Linz-Wien, die Barmherzigen Brüder Linz, die Vinzenz Gruppe und das Rote Kreuz. Das Land Oberösterreich und die Sozialversicherung haben die überwiegende Finanzierung der Einrichtung zugesagt.
Bisher war das Hospiz mit sechs Betten im Ordensklinikum Linz Elisabethinen als eigenständige Organisation eingebettet. Nun ist es in einen Neubau der Elisabethinen in der Harrachstraße umgezogen. Es umfasst zehn kleine Wohneinheiten (Einzelzimmer) mit Pflegebetten. Rund 20 Pflegemitarbeiterinnen und Pflegemitarbeiter kümmern sich um die Bedürfnisse der ihnen anvertrauten Menschen.
Für die OÖ-Landeshauptmann-Stellvertreterin Christine Haberlander stellt ein bedarfsgerechtes Hospiz- und Palliativangebot einen wichtigen Schwerpunkt der Gesundheitspolitik in Oberösterreich dar, wie sie bei der feierlichen Segnung sagte: "Unser Ziel ist es, schwer erkrankte Menschen in den letzten Wochen ihres Lebens in einen schützenden Mantel einzuhüllen, an der Hand zu nehmen und würdevoll zu begleiten." Die große Achtung vor der Hospizarbeit und die hohe Wertschätzung durch die öffentliche Hand in Oberösterreich könne auch daran gemessen werden, "dass die Versorgung in diesem Bereich einen hohen Stellenwert hat. Mit einem Hospizausbauplan wollen wir die Versorgung weiter ausbauen und damit stärken", so Haberlander, die auch Gesundheitsreferentin des Landes Oberösterreich ist.
Quelle: Kathpress