Warum Eucharistische Weltkongresse das Zeug zum Politikum haben
Eucharistische Weltkongresse sind stets Großereignisse - und als solche strahlen sie immer auch über den eigenen kirchlichen Tellerrand hinaus ins Politische. Das jedenfalls ist die Hoffnung, die kirchlicherseits heute, aber gewiss auch schon zu früheren Zeiten mit den Kongressen verknüpft waren und sind. Ob der heurige Kongress, der in diesen Tagen in Budapest stattfindet, dem Anspruch der Re-Christianisierung gerecht wird, bleibt abzuwarten. Vor 83 Jahren jedenfalls - beim ersten Eucharistischen Weltkongress in Budapest 1938 - sorgte die politische Großwetterlage dafür, dass diesem Groß-Event eine besondere politische Aufmerksamkeit zuteil wurde.
Eine Rekonstruktion dieses Ereignisses legte nun der Wiener Kirchenhistoriker Prof. Rupert Klieber bei einer Tagung in Wien vor. Klieber war einer der Referenten einer österreichisch-ungarischen Tagung im "Collegium Pazmanianum" über den Eucharistischen Weltkongress von 1938. Kliebers Vortrag stand unter dem Titel "Enttäuschte Erwartungen? Der Eucharistische Kongress in Budapest 1938 aus österreichisch-katholischer Warte".
An den Weltkongress von 1938 knüpften sich katholischerseits große, ja, übergroße Erwartungen, wie Klieber aufzeigte: Man erhoffte sich ein päpstliches Machtwort gegen den Nationalsozialismus, gegen Gewalt, Krieg und Rassenwahn. Zugleich reihte sich die glanzvolle Inszenierung in Budapest ein in eine ganze Reihe von kirchlichen Großveranstaltungen wie Heiligsprechungen, Heilige Jahre und Papst-Jubiläen, die das ambitionierte Ziel einer Re-Christianisierung dienen sollten. Zum Politikum wurde der Kongress jedoch vor allem dadurch, dass die Nationalsozialisten den Deutschen und - nach dem März 1938 - den Österreichern die Teilnahme untersagten.
Gerade Österreich wollte laut Klieber sowohl kirchlich als auch politisch den Kongress in Budapest nutzen, um sich zu profilieren und als "besserer deutscher Staat" zu präsentieren: "deutsch, christlich und sozial". Sonderzüge wurden organisiert, ein üppiges Rahmenprogramm für die erwarteten Durchreisenden sowie eine starke politische Repräsentanz mit Bundeskanzler Kurt Schuschnigg an der Spitze aufgestellt. Allein aus Deutschland wurden rund 25.000 Teilnehmer in Budapest erwartet.
März 1938 ließ Hoffnungen zerplatzen
Diese Pläne jedoch zerstoben laut Klieber auf einen Schlag mit dem "Anschluss" Österreichs im März 1938 an Hitlerdeutschland. Schließlich war bereits im Jänner zuvor den deutschen Katholiken die Teilnahme untersagt worden - gleiches wurde zwar nach dem Anschluss Österreichs nicht dezidiert ausgesprochen, jedoch zeigten historische Dokumente wie eine vertrauliche Anweisung des Reichspropagandaministeriums gegenüber der katholischen Presse, dass es offenbar eine "ausgeprägte Bereitschaft des [österreichischen, Anm.] Episkopats zu Zugeständnissen ans neue Regime" gab. Wörtlich heißt es in der von Klieber zitierten Passage:
"Das Verbot [...] ist ausgesprochen worden, um die deutschen Teilnehmer nicht in einen Gewissenskonflikt zwischen ihren nationalen und kirchlichen Pflichten zu bringen, da Angriffe auf Deutschland auf dem Kongress zu erwarten sind. Das Verbot bezieht sich daher selbstverständlich auch auf die Geistlichen. Für Österreich wurde das Verbot nicht ausgesprochen, jedoch hat die österreichische Geistlichkeit von sich aus freiwillig auf die Teilnahme verzichtet."
Der Presse wurde jede Berichterstattung über den Kongress untersagt. Einzig die NS-Zeitschrift "Der Angriff" berichtete erwartbar tendenziös unter dem Titel "Volksfront-Pacelli agitiert in Budapest". Klieber weiter: "Einzig auf innerkirchlichem Wege konnte auf das Ereignis hingewiesen werden. Über die Verordnungsblätter bestimmten die Ordinarien, dass zur Festzeit in den Predigten an Christi Himmelfahrt und am Sonntag darauf auf den Kongress hinzuweisen und eucharistische Feiern anzusetzen seien. Jenes von Wien publizierte die Rundfunkansprache des Papstes in Latein."
Überzogene Erwartungen
Doch waren die politischen Maßnahmen gegen den Kongress überhaupt gerechtfertigt? War dem Katholizismus noch jenes politische Mobilisierungspotenzial zuzumessen? "Soweit ersichtlich nicht", konstatierte Klieber, hatten die Organisatoren den Kongress doch selbst als "strikt unpolitisch deklariert" - und auch die Botschaft des Papstes Pius XII. blieb "vage". Der Katholizismus hätte zwar wohl die Kraft besessen, "den Totalitarismen der Welt mit ihren eigenen Waffen die Stirn zu bieten und Massen mobilisieren zu können", zugleich aber seien die Erwartungen kirchlicherseits wohl übergroß gewesen - und ein Zeichen dafür, "wie weit damals und wohl auch zu anderen Zeiten kirchliche Wahrnehmung und gesellschaftliche Realität auseinanderklafften".
Quelle: Kathpress