Schönborn leitet als Papst-Legat tschechische Ludmila-Jubiläumsfeier
Kardinal Christoph Schönborn hat am Samstag als päpstlicher Sondergesandter die nationalen Feierlichkeiten zum 1.100. Jahrestag des Martyriums der Heiligen Ludmila im tschechischen Tetin geleitet. In seiner Predigt unterstrich der Wiener Erzbischof die bleibende Bedeutung Ludmilas, die als erste böhmische Heilige einen herausragenden Platz in der Geschichte der Christianisierung des Landes hat. Als Großmutter des Heiligen Wenzel/Vaclav, der im frühen 10. Jahrhundert in Prag regierte, sei Ludmila zudem "ein Vorbild einer klugen Großmutter", so Schönborn unter Bezugnahme auf Worte von Papst Franziskus. Ludmila werde als "Patronin der Großmütter" verehrt und gebe ein "schönes Zeugnis für die Weitergabe des Glaubens an die nächsten Generationen", so Schönborn.
Bei der Festmesse im Rahmen der Nationalen Ludmila-Wallfahrt, die vom Tschechischen Fernsehen live übertragen wurde, erinnerte der Wiener Erzbischof an die Christianisierung Böhmens: "Die hl. Ludmila und ihr Gemahl, Fürst Borivoj, stehen am Anfang der Christianisierung unserer Heimat", so der Papst-Legat, der selbst im Jänner 1945 in Böhmen geboren wurde, aber im Zuge der Vertreibung mit wenigen Monaten mit der Familie das Land verlassen musste und in Österreich aufwuchs.
In der Christianisierung Böhmens und Mährens zeige sich aus das, was Papst Johannes Paul II. mit den "beiden Lungen" Europas beschrieben habe. So seien Borivoj und Ludmila vom hl. Methodius zum christlichen Glauben geführt worden. Böhmen und Mähren seien somit sowohl unter dem Einfluss des ostkirchlich-byzantinischen "Lungenflügels" gestanden, sondern dann verstärkt des christlichen Westens. Dieser habe die Geschicke des Landes geprägt, "mit all seinem Glanz und seinen Dramen, den Kirchenspaltungen und den Religionskriegen, der Politisierung der Religion, die schließlich für viele Menschen zur Abwendung von der Religion geführt hat", so Schönborn.
Im Blick auf die aktuelle kirchliche Lage in Tschechien erinnerte der Wiener Erzbischof an den Besuch von Papst Benedikt XVI. Dieser haben sich 2009 mit der bleibend aktuellen Frage befasst, "was es heißt, in einem Land Christ zu sein, in dem die Mehrheit Agnostiker und Atheisten sind und die Christen eine Minderheit sind." Benedikt XVI. habe damals zum Gespräch mit denen ermuntert, "denen die Religionen fremd sind, denen Gott unbekannt ist und die doch nicht einfach ohne Gott bleiben, ihn wenigstens als Unbekannten dennoch anrühren möchten".
In diesem Sinn müsse die Verkündigung des Glaubens weitergehen und Christen sollten sich dabei vom Gleichnis des Sämanns inspirieren lassen, so der Kardinal unter Bezugnahme auf das Tagesevangelium: "Alle unsere menschlichen Bemühungen, den Glauben auszusäen, auszubreiten, scheinen vergeblich zu sein. Doch da gibt es da und dort guten Boden und plötzlich gibt es unfassbar gute Erträge, weit über alles denkbar Mögliche hinaus, bis zu hundertfach." Das Leben und Sterben der hl. Ludmila habe so gesehen "reiche Frucht gebracht" und es gelte auch heute auf ihre Fürsprache zu vertrauen.
Warnung vor aufkommenden Nationalismen
Der Wiener Erzbischof war als Päpstlicher Legat am Freitag in Prag von Kardinal Dominik Duka empfangen worden. Am selben Tag erfolgte durch die beiden Kardinäle die Übertragung der Ludmilla-Reliquien vom Prager Wenzelsdom in den Wallfahrtsort Tetin. Nach der Positionierung der Schädelreliquie in der dortigen Katharinen-Kirche im Rahmen einer liturgischen Feier folgten ein Empfang und ein Festkonzert für und mit dem Päpstlichen Legaten in der Stadt Beroun am Freitagabend.
Bei der festlichen Vesper in Tetin erinnerten Erzbischof Jan Graubner von Olomouc (Olmütz) und Kardinal Schönborn an die gemeinsame Erklärung der Tschechischen und der Österreichischen Bischofskonferenz "Versöhnte Nachbarschaft im Herzen Europas" aus dem Jahr 2001. Erzbischof Graubner - er war damals Vorsitzender der Bischofskonferenz und ist es jetzt seit 2020 wieder - ging auf Zustandekommen der Erklärung im Vorfeld des EU-Beitritts Tschechiens ein, die auch in der Schriftenreihe der Österreichischen Bischofskonferenz erschienen ist.
Kardinal Schönborn hob hervor, dass die Erklärung nach wie vor Aktualität habe. Stand damals die Einheit Europas und die Überwindung des Nationalitätenkonflikts zwischen Tschechen und Deutschen, der zur Vertreibung großer Bevölkerungsgruppen nach dem Krieg geführt hatte, im Vordergrund, so müsse man heute der Erklärung noch ein weiteres Kapitel hinzufügen. Die Einheit Europas sei wieder bedroht durch das Aufkommen neuer Nationalismen. Das Eigeninteresse sei viel größer als das Miteinander. Dieser Gefahr müssten besonders die Christen in Europa heute wehren. Die schrecklichen Erfahrungen unserer Eltern und Großeltern dürfen sich nicht wiederholen, betonte der Wiener Erzbischof.
Tetin, 40 Kilometer südwestlich von Prag, ist einer der ältesten tschechischen Wallfahrtsorte. Bekannt ist er vor allem als Wohn- und Zufluchtsort der Premyslidin Ludmilla, die hier am 15. September 921 eines gewaltsamen Todes starb. Ludmilla ist Großmutter des böhmischen Nationalheiligen Wenzel oder Wenzeslaus von Böhmen (um 908 - 929 oder 935).
Quelle: kathpress