Rat der Europäischen Bischofskonferenzen stellt die Weichen neu
Die Bischöfe der Europäischen Bischofskonferenzen haben in schwieriger Zeit gewählt. Und ihre Entscheidung scheint auf den ersten Blick klug zu sein. 50 Jahre nach seiner Gründung hat sich der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (lat. Consilium Conferentiarum Episcoporum Europae, CCEE) am Wochenende wieder in Rom versammelt. Er hat einen neuen Vorstand beauftragt, der Kirche in Europa eine gemeinsame Stimme zu geben.
Es war eine Zeit des Auf- und Umbruchs. Im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) wurden große Teile der Weltkirche vom Geist der "Synodalität" erfasst. Teilhabe, Mitbestimmung als selbstbewusste Glieder der einen Kirche - das wollten die Laien in ihren Gemeinden, aber auch die Bischöfe als Nachfolger der Apostel. Und sie wollten "in die Welt hineinwirken", wie es damals hieß; in den "Fragen der Zeit" als Christen mitsprechen.
Mit dieser Absicht fand vor 50 Jahren, im März 1971, in Rom die CCEE-Gründungsversammlung statt. Erklärtes Ziel war, die Zusammenarbeit der katholischen Bischöfe auf dem Kontinent zu fördern - zu einer Zeit, als der Eiserne Vorhang noch sehr eisern und der Kalte Krieg noch sehr kalt war. Eine schwere Aufgabe für den Gründungsvorsitzenden, Erzbischof Roger Etchegaray von Marseille.
Lateinamerikanischer Bischofsrat als Vorbild
Es gab ein leuchtendes Beispiel, das damals eine Menge Furore machte: der Lateinamerikanische Bischofsrat CELAM ("Consejo Episcopal de Latinoamericano"), ein Zusammenschluss von 22 nationalen Bischofskonferenzen Lateinamerikas und der Karibik. Der CELAM verstand als seine Aufgabe, der Kirche in den Mitgliedsländern theologische und pastorale Impulse zu geben und Kontakte zwischen den Mitgliedern herzustellen.
Papst Pius XII. hatte die Gründung bereits 1955 genehmigt - und der Bischofsrat gab der Kirche in Lateinamerika Impulse. Die Vollversammlungen in Medellin (1968) und Puebla (1979) beeinflussten maßgeblich die Entwicklung der "Theologie der Befreiung" und ihrer vorrangigen Option für die Armen - in einer Zeit blutiger Bürgerkriege und Militärdiktaturen, in denen katholische Bischöfe lange, zu lange auf der Seite der Mächtigen gestanden hatten.
Eine solch große Wirkungsgeschichte war dem CCEE nicht beschieden. Nicht nur, weil die Sprachen vielfältiger, die Kommunikation durch den Eisernen Vorhang schwierig und die politischen und sozialen Realitäten zwischen Ost und West äußerst unterschiedlich waren. In Westeuropa griff bereits die Säkularisierung Raum; im Osten herrschte eine Unterdrückung der Kirche vor. Das Zeitalter der Volkskirche ging, anders als in Lateinamerika, in Europa bereits ihrem Ende entgegen; die Gestaltungskraft der Kirche wurde dadurch beschnitten.
Dazu kam als eine Art interne "Konkurrenz" die EU-Bischofskommission COMECE. Sie entstand 1980, ein Jahr nach den ersten Direktwahlen des Europaparlaments. Das Sekretariat der COMECE ähnelt als Verbindungsstelle zur EU-Politik den Katholischen Büros in Deutschland: Kirchenvertreter halten Kontakt zu Parlamenten und Regierungen und versuchen, Politik im Sinne der kirchlichen Lehre mitzugestalten. Die politische Wende 1989/90, der Fall des Eisernen Vorhangs und die einsetzende EU-Osterweiterung (2004-2013) gaben eher der COMECE die Chance, vor Ort in Brüssel die europäische Integration in Sachfragen voranzutreiben.
Erfolge in Ökumene und interreligiösem Dialog
Wichtige Erfolge hat der CCEE mit Sitz in Sankt Gallen/Schweiz allerdings im Bereich von Ökumene und interreligiösem Dialog erzielt. Er kooperiert eng mit der evangelischen und orthodoxen Konferenz Europäischer Kirchen (KEK). Diese Zusammenarbeit führte zu bislang drei Europäischen Ökumenischen Versammlungen - 1989 in Basel, 1997 in Graz und 2007 in Sibiu (Hermannstadt) - sowie zu fünf katholisch-orthodoxen Foren. Ein gemeinsames Ökumenepapier ist die Charta Oecumenica von 2001.
Dem CCEE gehören derzeit 39 Mitglieder an: 33 Bischofskonferenzen, der Apostolische Administrator von Estland sowie Vertreter aus dem Erzbistum Luxemburg, dem Fürstentum Monaco, aus Moldawien, Zypern und der Ukraine. Repräsentiert wird der Rat von einem gewählten Präsidenten und zwei Stellvertretern.
Bei ihrer Jubiläumsvollversammlung am Wochenende konnte der scheidende Vorsitzende, der italienische Kardinal Angelo Bagnasco (78), wegen einer Corona-Infektion nicht teilnehmen. Doch auch ohne ihn fiel die Entscheidung wegweisend aus. Neuer Vorsitzender wurde der Erzbischof von Vilnius und Vorsitzende der Litauischen Bischofskonferenz, Gintaras Linas Grusas (60) - nach dem ungarischen Primus Kardinal Peter Erdö (2006-2016) erstmals wieder ein Mittel-Ost-Europäer. Seinem Land bläst derzeit der Wind der europäischen Migrationskrise an der Grenze zu Belarus besonders ins Gesicht.
Klug, dass ihm mit dem serbischen Bischof von Zrenjanin und Vorsitzendem der internationalen Bischofskonferenz der Heiligen Kyrill und Method (CEICEM), Laszlo Nemet, ein Stellvertreter der slawischen Kirchentradition zur Seite gestellt wird. Nemets Bistum Zrenjanin liegt an der Grenze zu vielen anderen Ländern, deren Realitäten von denen der (Kern-)EU meilenweit entfernt sind: Bosnien-Herzegowina, Rumänien, Ungarn, Kroatien, Montenegro und Kosovo.
Genauso klug ist die Wahl des Luxemburger Jesuiten und Kardinals Jean-Claude Hollerich (63). Er ist nicht nur ein Ordensbruder und Vertrauensmann von Papst Franziskus, sondern auch COMECE-Vorsitzender. Er soll und wird für die notwendige Verzahnung mit der "Konkurrenz-Organisation" in Brüssel sorgen. So aufgestellt soll es nun etwas werden mit der einen Stimme der Kirche in Europa.
Quelle: kathpress