Notker Wolf: Soziale Medien sind nicht sozial
Ein großes Fragezeichen hinter die Bezeichnung "Soziale Medien" setzt der frühere Abtprimas der Benediktiner, Notker Wolf: Angewendet auf Plattformen wie Facebook, Twitter und Instagram wirke der Begriff für ihn als ein Widerspruch, "weil diese Medien nicht wirklich verbinden", bemerkte der 81-Jährige in einem Interview mit der St. Pöltner Kirchenzeitung "Kirche bunt" (aktuelle Ausgabe). "Die viele Zeit, die die Menschen oft in den sozialen Medien verbringen, geht doch auch zulasten der Zeit, die ich in echt mit den Menschen zusammen sein könnte", so der Ordensmann und Bestsellerautor.
Es sei zwar großartig, mit anderen Leuten immer wieder in Verbindung zu treten, räumte Wolf ein. "Aber wozu ist es zum Beispiel notwendig, dass ich im Urlaub jeden Moment anderen ein Bild oder eine Nachricht schicke? Bin ich so wichtig?" Vielfach würden die sozialen Medien auch dazu genutzt, sich abzuschotten und zu verstecken. Rückzug und fehlender realer Austausch mit anderen stellten insbesondere bei jüngeren Menschen in Lebenskrisen ein großes Problem dar.
Die "existenzielle Einsamkeit" sei hingegen vor allem bei älteren Menschen anzutreffen, so der frühere Erzabt im bayrischen Kloster St. Ottilien, wo er auch heute noch lebt. "Entweder haben sie sich zurückgezogen und eingekapselt, oder sie werden von den Angehörigen links liegen gelassen. Es gibt Eltern, die nie mehr besucht werden." Dass heute viele erwachsene Kinder mit ihren Eltern nichts mehr zu tun haben wollten, sei "grausam". Gesellschaftlich betrachtet, sei dieses Problem eine der Folgen des Zerfalls der Großfamilie.
Den Umgang mit dem Alter müsse der Mensch rechtzeitig lernen, um so der Einsamkeit vorzubeugen, sagte Wolf, der am 9. November in St. Pölten beim Symposium "Wenn Alter einsam macht" spricht. Wenn man nicht mehr im Arbeitsleben stehe und Freunde langsam wegstürben, seien "neue Horizonte" und der Austausch mit anderen wichtig. Ratsam sei dabei der Aufbau eines Freundeskreises, ein offenes Zugehen auf andere, gemeinschaftliche kreative Tätigkeiten und "nicht einem Selbstmitleid zu verfallen". Kinder seien hier mit ihrer Unbefangenheit ein Vorbild.
Dennoch gebe es in jedem menschlichen Leben auch eine "letzte Einsamkeit", die nur der Glaube abnehmen könne, so der frühere Chef der weltweiten Benediktinerkonföderation. "Für mich ist das Jenseits nicht abstrakt, sondern da ist der liebende Gott. Da kommt das Urbild des liebenden Vaters, der liebenden Mutter zur Vollendung. Und da finde ich einen Halt, auch wenn ich alles andere verliere." Aufgabe der Kirche sei, diese Geborgenheit zu vermitteln, auch in der gemeinsamen Feier. "Die Botschaft ist: Wer glaubt, ist nicht allein, und das sollte über den Gottesdienst hinaus gelten", betonte Wolf.
Quelle: kathpress