Rumänien: Hilfsprojekt Elijah stark von vierter Covid-Welle betroffen
Adventbeginn in Rumänien: Das Land wird seit einem Monat von der vierten Welle gebeutelt, das Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps. Der Corona-Notruf empfiehlt hilfesuchenden Familien in den Dörfern, sie mögen, wenn es irgendwie geht, zu Hause bleiben. "Wir kommen mit dem Testen nicht nach, die Stationen sind voll", laute die Standardauskunft, wie die "Elijah Sozialwerke"-Leiterin Ruth Zenkert im Kathpress-Gespräch berichtete.
In den Roma-Dörfern bei Sibiu hat die Pandemie diesmal voll zugeschlagen, viel schlimmer als bei den vorherigen Wellen. Für die vor zehn Jahren - nach 21 Jahren Straßenkinderarbeit - von der deutschen Religionspädagogin und Sozialarbeiterin Ruth Zenkert gemeinsam mit dem österreichischen Jesuiten P. Georg Sporschill in Siebenbürgen gegründete Romahilfe-Initiative Elijah ist die hohe Infektionsrate und die - zum Glück nur teilweise - Schließung der neuen Bildungs- und Sozialeinrichtungen eine enorme Herausforderung. "Wir erleben erschütternde Tragödien. Junge Mütter sterben. Morgen ist wieder ein Begräbnis einer beeindruckenden Frau, mit der wir gearbeitet haben", so Zenkert.
P. Sporschill erinnert allerdings auf seiner Website in einem jüngst veröffentlichen Adventbrief an eine andere Seite des Covid-Jahres in den Dörfern: Es habe auch mehrere Erfolgsgeschichten gegeben, so etwa die Eröffnung eines Kinderhauses. "Am 1. September hat das Kinderhaus Casa Ilie seine Tore für Kinder geöffnet, die kein Zuhause haben. Das Jugendamt hat sie uns gebracht. Vier Erzieherinnen kümmern sich um die Schützlinge. Bald wird das Haus voll sein, zwölf Kinder werden hier eine neue Familie finden."
Sporschill sieht in der Geschichte der Casa-Ilie-Erzieherin Gianina eine Aktualisierung der Evangeliumsstelle über die Sorgen der Heiligen Familie um das Kind im Stall: Gianinas Eltern hätten seinerzeit vor der Gewalt in ihrer Großfamilie flüchten müssen. "Sie zogen zum Schafstall, hinauf in die Hügel, wo die paar Schafe und Ziegen von Vater Sonel weiden. Dort bauten sie sich eine Herberge aus mit Lehm verstrichenen Brettern, so wie die Hirten draußen leben. Die Kinder konnten nicht mehr in die Schule gehen. Sie mussten mithelfen, die Tiere hüten, melken, Käse machen. Der Winter war hart."
Die Mutter sei hinunter ins Dorf gegangen und habe im Sozialzentrum um Hilfe gebeten. Leiterin Antoaneta habe eine Lösung gefunden: Die Kinder seien zum Essen in die Kantine und nachmittags in eine Lerngruppe gekommen. Gianina habe mit Ehrgeiz in der Schule aufgeholt, Antoaneta habe sie ermutigt, aufs Gymnasium zu gehen. "Doch Gianina hatte Angst, die Aufnahmeprüfung nicht zu bestehen. Sie sei nicht fähig, ordentlich zu kommunizieren, meinten die Lehrer. Man rieche den Stall an ihr, winkten sie ab. Doch Gianina bestand die Prüfung und konnte die Matura absolvieren, mit Hauptfach Pädagogik."
Jetzt strahle dieses junge Mädchen, das studiere und zugleich Kinder betreue: "Ihr eigenes Leben ist das beste Vorbild, das sie der jungen Bande schenken kann. Gianina ist für uns alle eine große Hoffnung", so P. Sporschill.
Bildung steht im Mittelpunkt
Bildung steht im Zentrum der Arbeit von Elijah. In den fünf Dörfern Nou, Nocrich, Tichindeal, Hosman und Marpod sowie in der Stadt Sibiu gibt es Elijah-Projekte. Die aus Baden-Württemberg stammende Ruth Zenkert ist die Pionierin der Elijah-Sozialinitiativen. Sie hatte bereits einen ganzen Winter vor der Ankunft Sporschills im ehemaligen Sachsendorf Nou (ehemals Neudorf bei Hermannstadt) gewohnt und zu den dort lebenden Roma-Familien, die in unbeschreiblicher Armut lebten, Kontakt aufgenommen.
In den zehn Jahren seither ist viel entstanden: Elijah unterhält Tageszentren, Internate, Musikschulen, Lehrwerkstätten - darunter eine Tischlerei, eine Gärtnerei, eine Landwirtschaft, eine Fleischerei, eine Käserei, eine Bäckerei, eine Weberei -, eine Hauswirtschaftsschule, einen Bauhof und eine Keramikwerkstatt. Die eigene Gärtnerei versorgt alle Elijah-Einrichtungen mit Gemüse, die Möbel der Zentren sind eigene Erzeugnisse. In den fünf Dörfern werden die Hütten durch neue, wetterfeste Häuser ersetzt. 2021 wurden 15 Häuser errichtet, insgesamt sind es mittlerweile bereits 50.
Startwohnungen für Absolventen
Ein ganz neues Gebiet, mit dem sich große Hoffnungen verbinden, sind die Startwohnungen für Gymnasiums- und Berufschulabsolventen, die bisher im Elijah-Internat in Sibiu wohnten. Sie stehen jetzt im Berufsleben, und mehrere wollen Familien gründen.
Ruth Zenkert, die bereits Caritashaus-Leiterin in Wien war, erzählte im Kathpress-Gespräch, dass sich die Kinder und Jugendlichen aktuell auf Weihnachtsfeste in den Sozialzentren vorbereiten und dazu Lieder und Tänze einüben. Noch gebe es die Hoffnung, dass sich die Pandemie einbremst und doch nicht alles abgesagt werden müsse. Aber auch wenn Feste nicht möglich seien, gebe es eine Möglichkeit. Dann würden die Aufführungen eben gestreamt werden, und die Spender könnten Videos abrufen. Traurig mache aber vor allem, dass dann auch gemeinschaftliche weihnachtliche Gottesdienste ausfallen müssten.
Demnächst begeht die "Elijah Sozialinitiative" ihren 10. Geburtstag als Verein. Ruth Zenkert ist in Rumänien die behördlich Verantwortliche. Heute hat Elijah 60 fixe Mitarbeiter, dazu kommen rund 20 Volontäre. Elijah wurde als Namen gewählt, denn wie der Prophet Elijah wollen P. Sporschill, Ruth Zenkert und ihre Gemeinschaft für die Armen eintreten. "Unsere Hilfestellungen richten sich an Kinder und ihre Familien. Sie bekommen neue Perspektiven. Schrittweise lernen die Menschen für sich selbst zu sorgen", heißt es in den Leitlinien.
(Infos: www.elijah.ro; Spendenkonto Bank für Tirol und Vorarlberg, IBAN: AT66 1630 0001 3019 8724)
Quelle: kathpress