Athen: Papst Franziskus warnt vor Demokratieskepsis
Papst Franziskus hat einen "Rückschritt an Demokratie" beklagt. "In einigen Gesellschaften, die sich um die Sicherheit sorgen und vom Konsumverhalten betäubt sind, führen Müdigkeit und Unzufriedenheit zu einer Art 'Demokratieskepsis'", kritisierte der Papst am Samstag vor Vertretern aus Politik und Gesellschaft in Athen. Demokratie sei aber komplex, erfordere Beteiligung und Einbeziehung aller, Mühe und Geduld. Der Autoritarismus handele vorschnell; die einfachen Beschwichtigungen des Populismus könnten verlocken, warnte der Papst.
Die Begegnung mit Vertretern der Regierung, Zivilgesellschaft und dem Diplomatischen Korps im Präsidentenpalast war der erste öffentliche Programmpunkt von Papst Franziskus in Griechenland. Zuvor war er im Präsidentenpalast zu Unterredungen mit Präsidentin Katerina Sakellaropoulou und Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis zusammengetroffen.
In seiner Rede sprach der Papst weiters von einer Skepsis gegenüber Demokratie, verursacht durch eine Distanz der Institutionen, Angst vor Identitätsverlust und Bürokratie. Als Gegenmittel warb der Papst für eine am Gemeinwohl orientierte Politik. Franziskus zitierte dabei Italiens ehemaligen Ministerpräsidenten Alcide De Gasperi (1881-1954), einen Förderer der europäischen Einigung. Anstatt zu viel über links und rechts zu reden, komme es darauf an, "vorwärts zu gehen", was "bedeutet, sich in Richtung sozialer Gerechtigkeit zu bewegen".
Doch gerade in der europäischen Migrationspolitik gebe es zu viel Zögerlichkeit, schlug Franziskus den Bogen zu einem Kernthema seiner Reise. "Die von nationalistischen Egoismen zerrissene Europäische Gemeinschaft wirkt zuweilen blockiert und unkoordiniert, anstatt eine treibende Kraft der Solidarität zu sein", klagte der Papst. Die Migrationsfrage habe eine Kluft zwischen dem Süden und dem Norden aufgerissen. Es brauche somit eine "umfassende, gemeinschaftliche Sichtweise auf das Thema der Migration" und mehr Aufmerksamkeit für Notleidende.
Franziskus lobte die "Aufnahmewilligkeit" Griechenlands, obwohl auf einigen Inseln die Zahl der Migranten die Einwohnerzahl einzelner Orte übersteige. Pandemie und Wirtschaftskrise erschwerten die Lage des Landes. Dabei, so das Kirchenoberhaupt, wären Europa und die Welt ohne Athen und Griechenland, "das Gedächtnis Europas", nicht das, was sie sind. Sie wären weniger klug und weniger glücklich.
"Hier verliefen die Wege des Evangeliums, die den Osten und den Westen, die Heiligen Stätten und Europa, Jerusalem und Rom verbunden haben", so Franziskus. Hier wurde der Grundstein für die heutige EU gelegt. Von dieser Stadt, der "Wiege der Zivilisation", möge daher immer eine Botschaft ausgehen: Gegen die Verlockungen des Autoritarismus für die Demokratie, gegen individualistische Gleichgültigkeit für eine Sorge um die Menschen, die Armen und die Schöpfung - wesentliche Bausteine für einen erneuerten Humanismus.
Sakellaropoulou dankt Franziskus
Griechenlands Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou hatte sich zuvor beim Papst für seinen Besuch und sein Engagement bedankt. "In schwierigen Zeiten mit großen Prüfungen für die Menschheit" sei der Beitrag der Religion und der Kirche "nicht nur von grundlegender Bedeutung und beschränkt sich nicht nur auf die Gläubigen", so Sakellaropoulou. Er habe unmittelbar mit einer "Politik der Fürsorge" zu tun und ebne so "den Weg für das friedliche Zusammenleben und das Wohlergehen von uns allen.
Quelle: Kathpress