Zulehner: "Kein Kind darf zum Opfer werden"
Der Pastoraltheologe Prof. Paul Zulehner hat in der "Kronenzeitung" (Sonntag) zum jüngsten Kinderpornovorfall in der Steiermark Stellung genommen. Die Behörden ermitteln gegen einen katholischen Priester aus der Weststeiermark wegen Besitzes von Kinderpornografie. Zulehner zeigte sich betroffen, betonte zugleich, dass die Kirche aus vergangenen Fehlern gelernt und bei Verdachtsfällen inzwischen sehr rasch und konsequent handle. Kein Kind dürfe Opfer von solchen Handlungen werden, so der Theologe. Reformbedarf sah Zulehner vor allem bei der Auswahl der Priesteramtskandidaten.
Ein derartiger Fall wie nun in der Steiermark gehe nicht nur die Kirche an, die Aufklärung sei im Interesse der gesamten Öffentlichkeit, so Zulehner: "Die Kirche hat sich so kooperativ wie nur möglich zu verhalten. Jetzt ist die Staatsanwaltschaft am Zug, und die sollte man mit vollen Kräften unterstützen, ihre Arbeit zu tun." Der Theologe zeigte sich zudem überzeugt, "dass die Kirche gelernt hat, gegen derartige Vorfälle mit offenem Visier vorzugehen". Gerade Papst Franziskus habe immer wieder seinen Standpunkt einer diesbezüglichen Null-Toleranz-Politik klargemacht. Er glaube, so Zulehner, "dass die Kirche hier schon weiter ist, als es viele sehen wollen - die Fallhöhe ist aber natürlich auch höher."
Den Einwand, die katholische Kirche Österreichs würde derartige Vorfälle vermeintlich am liebsten aussitzen, wies Zulehner zurück und führte wörtlich aus: "Für die Diözese Wien kann ich das absolut verneinen. Schon nach den Vorfällen um Kardinal Groër wurde ein Symposium abgehalten. Aus meiner Sicht hat man hier auch klare Regeln gemacht, die auch eingehalten werden. Sollte ein derartiger Vorfall gemeldet werden, muss die Diözese binnen 24 Stunden reagieren. Der Betroffene ist sofort außer Dienst zu stellen und bleibt das auch bis zur endgültigen Aufklärung."
Die Kirche sei freilich gefordert, in der Priesterausbildung anzusetzen. Es könne nicht sein, "dass offenbar sexuell unreife Personen, die in ihrer Entwicklung stecken geblieben sind, in das Priesterseminar aufgenommen werden". Hier brauche es ein viel schärferes Ausschlussprogramm, forderte Zulehner: "Mit Kindern dürfen nur sexuell reife Leute arbeiten, sonst macht man sich ja mitschuldig. Ich würde mir wünschen, dass die Kirche diesen Themen große Aufmerksamkeit schenkt."
Kultur des Brückenbauens
Auf das Coronavirus und Spaltungstendenzen in der Gesellschaft angesprochen, meinte Zulehner im "Kronenzeitung"-Interview: "Das ist eine sehr sensible Frage. Eine der tiefen Sorgen unserer Zeit ist es ja, wie bekomme ich unterschiedliche Werte unter einen Hut - also Freiheit und Gesundheit oder auch Ökologie und Ökonomie." Es brauche jedenfalls eine Kultur des Brückenbauens. Die Kirche müsste jetzt eigentlich sagen: "Wir bringen euch zusammen an einen Tisch und dann reden wir einmal - und finden einen Kompromiss", so der Pastoraltheologe.
Er räumte auch ein, dass es neue Angebote für die Jugend brauche. "Neben den normalen Gottesdiensten müssten wir uns viel mehr der Jugendkultur zuwenden. Wir müssen einfach für junge Menschen attraktiver werden - die Messe wird ja immer mehr zu einer Seniorenveranstaltung", sagte der Theologe: "Es kann und darf nicht sein, dass die Kirche für die Jugend zu fad ist und sie bei uns kein Zuhause findet." Zulehner verwies auf die Jesuiten in Wien. Sie zeigten es mit ihren innovativen Abendmessen für Jugendliche vor, "wie es funktionieren kann". Freilich brauche es Feingefühl, "man darf auch niemanden vor den Kopf stoßen".
Ermittlungen gegen Priester
Bereits im August hatte es in den Privaträumen und im Büro eines Priesters aus dem Seelsorgeraum Voitsberg eine Hausdurchsuchung gegeben. "Einiges an belastendem Material" - Bilder und Videos - hätten die Beamten bei der Razzia sichergestellt, berichtete die Staatsanwaltschaft vergangene Woche. Nun stünden noch weitere Ermittlungen an, wobei es sich weder um Missbrauchsvorwürfe noch um Ermittlungen aufgrund von körperlicher Gewaltanwendung handle.
Im Falle einer Verurteilung wegen des Besitzes von Kinderpornografie muss der Verdächtige mit einer Haftstrafe von bis zu zwei Jahren rechnen. Von der Diözese Graz-Seckau war der Priester bereits nach der Hausdurchsuchung beurlaubt worden. Derzeit warte die Diözese auf die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, ob eine Anklage erhoben wird, teilte Diözesansprecher Thomas Stanzer mit. Komme es zu einem Strafverfahren, so sei auch ein kirchenrechtliches Verfahren absehbar. Im Falle der Erhärtung des Verdachts sei dann neben einem strafrechtlichen zusätzlich auch ein kirchenrechtliches Urteil zu erwarten, das der Schwere des zugrundeliegenden Deliktes entspricht.
Quelle: Kathpress