Katholische Laien: Kirche, die aufrichtet, ist "systemrelevant"
Die Kirche hat sich in der Zeit der Corona-Pandemie als durchaus "systemrelevant" erweisen - auch wenn ihr das anfangs abgesprochen wurde. Zu dieser Einschätzung kommen zwei hochrangige Vertreter des Laienapostolates im Doppelinterview der Wochenzeitung "Die Furche" (23.12.): Ferdinand Kaineder, Präsident der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ), und Angelika Ritter- Grepl, Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs (kfbö) anerkannten das Bemühen der Kirche, "in einer Situation, in der niemand Antworten hat", den Menschen nahe zu bleiben. Ritter- Grepl verwies auf die Nutzung von Kirchen als "spirituelle Kraftorte". Kaineder sagte: "Es ist alles relevant, was den Menschen wieder aufrichtet ... Wo Menschen in diesem Sinn Kirche bilden, ist sie auf jeden Fall systemrelevant."
Viele Kfb-Frauen haben laut Ritter-Grepl auf lokaler Ebene daran mitgewirkt, die Pandemie besser zu bewältigen. Und gerade in deren erster Phase seien die Kirchengebäude nicht leer gewesen. Nach anfänglicher "Schockstarre" gab es nach den Worten Kaineders Initiativen wie jene einer Pfarrgruppe in Oberösterreich, die mit Alleingelassenen Briefkontakt aufnahm. Der KAÖ-Präsident sieht weiters einen Lerneffekt in der Kirche, "dass auch das digitale Zusammensein seinen Wert hat".
Die zuletzt im Zuge der Corona-Krise aufgetretenen Konflikte betrachten Ritter- Grepl und Kaineder mit Sorge. Die kfbö-Vorsitzende seiht Österreich "demokratiepolitisch schon gefestigt", aber die jüngste Entwicklung, dass aus einer Minderheitenmeinung heraus lauthals protestiert und so der Zusammenhalt in der Gesellschaft gefährdet wird, sei etwas Neues. Anders als bei hochkomplexen ökologischen Fragen scheine sich die Impfgegnerschaft allzu vereinfachend nur auf ein einziges Thema zu fokussieren.
Ferdinand Kaineder dazu: "Was in den letzten Jahren gewachsen ist, ist eine unglaubliche Selbstbezogenheit. Es wird die Freiheit individuell für sich selbst bedacht. Jetzt verbünden sich Einzelpersonen, die sagen: Es geht allein um mich." Er glaube auch, "dass die globale Liberalisierung aller Bereiche durch die Pandemie massiv hinterfragt ist". Schon in den vergangenen Jahrzehnten habe sich gezeigt, dass "jedes Fremde, alles Andere ... ausgetrieben und hinmodelliert auf das immer Gleiche" werde. In der momentanen Gereiztheit gehe es darum, "innezuhalten, zu stoppen, nicht einander Vorhaltungen zu machen, sondern hinzuhören" und sich die Kernfrage zu stellen: "Wie können wir gemeinsam aus dieser Bedrohung durch das Virus herauskommen?"
"Körpersprache" der Kirche muss sich ändern
"Furche"-Religionsressortleiter Otto Friedrich stellte seinen Interviewpartnern die Frage, ob eine durch Missbrauchsskandale geschwächte und im Reformstau befindliche Kirche, "die sich darob mit sich selbst beschäftigen muss", in der Pandemie überhaupt agieren könne. "Eine Kirche, die sich mit sich selbst beschäftigt, ist zum Scheitern verurteilt", antwortete Kaineder darauf. Zugleich seien viele äußere Zeichen der Kirche, ihre "Körpersprache", nicht mehr zeitgemäß.
"Es wird sich manches am Erscheinungsbild der Kirche ändern müssen, etwa an der Rolle der Frauen." Es sei erforderlich, "dass Männer und Frauen selbstverständlich in allen Ämtern und Diensten wirken", so der KAÖ-Präsident. Er unterstelle, "dass der Papst den synodalen Prozess angestoßen hat, weil er spürt, dass die Fokussierung auf eine rein hierarchische Kirche weltweit nicht mehr funktioniert", so Kaineder weiter. Die Kirche brauche eine Besinnung auf das Prinzip des Partizipativen und Synodalen, "das es ja immer gegeben hat".
Bei den seit Jahrzehnten diskutierten "heißen Eisen" gebe es wohl eine gewisse "Themenmüdigkeit", befand der oberösterreichische Theologe. Neu sei jedoch, "dass der Papst wartet, dass vor Ort Erfahrungen gemacht werden". Hier seien "mutige Bischöfe" gefordert, die solche Erfahrungen ermöglichen und nicht darauf warten, was von Rom vorgegeben wird. "Genau das meint der Papst nicht", so Kaineder.
"Neue Töne" aus dem Vatikan
Auch Angelika Ritter-Grepl setzt - wie sie sagte - große Hoffnungen in den vom Papst angestoßenen synodalen Prozess. Deutschland könne mit dem Synodalen Weg ein Beispiel für Österreich sein: "Die Papiere, die dort erarbeitet werden, sind erstklassig." Die keineswegs nur für Europa relevante Frauenfrage erachtet die kfbö-Vorsitzende als "für die Kirche dabei zentral".
Positive Impulse kämen dazu auch aus dem Vatikan: Sr. Nathalie Becquart, Untersekretärin der Bischofssynode und erste Frau mit Stimmrecht bei derselben, sorge für Veranstaltungen für Frauen in der ganzen Welt. "Und da höre ich Töne, wo ich als Frau sage: Jetzt kommen sie endlich aus dem Vatikan!", so Ritter-Grepl. "Das motiviert." Von der Österreichischen Bischofskonferenz wünsche sie sich, "dass zum Thema synodaler Prozess in Österreich Signale kommen, die uns mehr ermutigen".
Quelle: kathpress