Premiere von Schirachs Stück "Gott" im Schauspielhaus Graz
"Gott" kommt mitten in der bisher heftigsten Pandemiewelle nach Graz ins dortige Schauspielhaus. Ferdinand von Schirachs so benanntes Stück feiert am 4. Februar um 19.30 Uhr unter der Regie von Bernd Mottl Premiere im Haus Eins. Thema sind allerdings weniger theologische als vielmehr brisante ethische Fragen rund um den in den vergangenen Monaten in Österreich heiß diskutierten Suizid und die Beihilfe dazu. Als Film hatte der Schirach-Stoff bereits im November 2020 im Zuge der Ausstrahlung im ORF für Debatten gesorgt.
Zum Inhalt: Herr Gärtner will nicht mehr leben. Nach dem qualvollen Tod seiner Frau vor zwei Jahren sind Lebenssinn, -lust und -mut des pensionierten Architekten verschwunden. Söhne, Freunde und Ärzte haben versucht ihn davon abzubringen, aber er will nur eins: sein Leben mit 15 Gramm Natrium-Pentobarbital beenden. Doch anstatt eine Sterbehilfeorganisation in der Schweiz aufzusuchen, erfüllt Herr Gärtner den Wunsch seiner Frau auf dem Sterbebett: "Mach es richtig." Er bringt sein Anliegen vor die Bioethikkommission.
Ferdinand von Schirach beweist in seinem Stück mit gründlicher juristischer Methodik seine Kompetenz als ausgebildeter Strafverteidiger: Der deutsche Autor von Bestsellern sowohl in Buch- als auch Dramenform lässt eine Reihe von Sachverständigen auftreten, die unterschiedlichen moralisch-ethischen, ärztlichen, juristischen, historischen und - durch einen Bischof - religiösen Blickwinkeln Herr Gärtners Fall beleuchten. "Statistische Fakten und überraschende Facetten zeigen, dass das Thema weder einfach noch eindimensional, sondern im Gegenteil höchst komplex und viel schwerwiegender ist, als man zunächst vielleicht denkt", teilte das Schauspielhaus Graz in seiner Ankündigung mit. Am Ende liege die Frage zur Abstimmung vor: "Soll ein Arzt Beihilfe zum Suizid leisten dürfen?" Antwort darauf gibt nicht nur die Bioethikkommission im Stück, aufgefordert dazu wird auch das Publikum (Abstimmungsergebnisse veröffentlicht auf https://gott.theater).
Nach der Premiere am 4. Februar soll das Drama weitere Male am 8., 16. und 17. Februar aufgeführt werden, außerdem am 2. und 18. März sowie am 9. April, jeweils um 19.30 Uhr. (Info: www.schauspielhaus-graz.com)
"Wem gehört unser Sterben?"
"Ethik ist keine Abstimmungssache", gab eine Kathpress-Rezension der Kritik in "Zeit online" nach der TV-Ausstrahlung vor rund 14 Monaten recht; auch das Bild des Protagonisten Bischof Thiel und die von ihm skizzierte theologische Überzeugung seien "schablonenhaft" und die Abstimmung im Anschluss "eine Farce", wie es auch in einer Rezension des Portals feinschwarz.net geheißen hatte. Die Charaktere agieren mit professionell geskripteter Glätte und leisten sich keine argumentativen Fehler - dies gilt insbesondere für den eloquenten Anwalt Biegler, der stets die Oberhand zu behalten scheint und insofern das Publikum am Ende keineswegs unparteiisch ins Voting entlässt.
Doch was das Stück bzw. die Verfilmung tatsächlich existenziell macht, sei die Tatsache, dass es von allen verlangt, sich zum Thema Sterbehilfe zu positionieren. "Das Thema wird so aus dem öffentlichen Halbdunkel der Ethikräte, der parlamentarischen oder juristischen Debatten und der Oberseminare ins grelle Licht der individuellen moralischen Haltung geholt. Dort steht die Frage nun im Raum und lässt sich nicht einfach wegwischen: 'Wem gehört unser Sterben?'"
Quelle: kathpress