Zsifkovics: "Europahymne" soll auch heute einheitsstiftend sein
Vor genau 50 Jahren, am 19. Jänner 1972, erklärte der Europarat in Straßburg den vierten Satz von Beethovens IX. Symphonie ("Die Ode an die Freude") zur Europahymne. Für den Eisenstädter Bischof Ägidius J. Zsifkovics, in der Österreichischen Bischofskonferenz für Europafragen zuständig, ist dieses Jubiläum Anlass für Sorge wegen der drohenden Konflikteskalation an der ukrainischen Grenze und für einen Aufruf zur Einheit. "Beethovens Werk beschwört den europäischen Geist, der gerade jetzt im Ukraine-Konflikt heilsam wäre", erklärte Zsifkovics in einer Aussendung am Mittwoch. Das Jubiläum sei ein "symbolträchtigen Anlass, um mittels eines Ohrwurms über die große europäische Idee wieder vertieft nachzudenken".
Die "Anzeichen der Möglichkeit künftiger bewaffneter Konflikte auf europäischem Boden, wie sie sich derzeit in der Ukraine zeigen" machten besorgt, so der "Europabischof". Er appellierte an die "hohe Kunst der Diplomaten, alles Verbindende zwischen den Konfliktparteien in die Waagschale zu werfen". Es gebe durchaus "Positionspapiere renommierter Wissenschaftler mit Vorschlägen für eine diplomatische Lösung", wies Zsifkovics hin.
Es müsse jetzt darum gehen, durch konsequentes Handeln die Eskalationsspirale zu durchbrechen. "Europas Hymne, Beethovens Musik, bringt ohne Worte, nur in der universellen Sprache der Musik, die europäischen Werte Freiheit, Frieden und Solidarität zum Ausdruck. Mögen die Mächtigen diese Botschaft wieder stärker entdecken!", appellierte der Bischof.
"Wegstrecke eines Ideals"
Zsifkovics erinnerte zugleich an die österreichischen Protagonisten, die sich um den "Soundtrack" des vereinten Europa verdient gemacht hätten; in der Aussendung der Diözese Eisenstadt wird auch die "Wegstrecke eines Ideals" rund um die Komposition des genialen Komponisten der Klassik erinnert.
Als Ludwig van Beethoven zwischen 1821 und 1823 in Baden bei Wien an seiner letzten Symphonie arbeitete, sei er von der Vision in Friedrich Schillers 1785 verfasster "Ode an die Freude" bewegt gewesen, "dass alle Menschen zu Geschwistern werden". Nach den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts habe die Idee einer "Neuschöpfung der europäischen Völkerfamilie" und der Ächtung von Kriegen - namentlich durch den Realpolitiker Winston Churchill neue Schubkraft bekommen: Ab 1957 wurden die Europäischen Gemeinschaften als Vorläufer der heutigen EU gegründet, erinnerte die Diözese Eisenstadt. Um dem zunächst rein wirtschaftlich konnotierten Bündnis immer mehr kulturelle Identität zu geben, wurde die vom Europarat 1972 eingeführte Europahymne 1985 - in einer Instrumentalversion - auch von den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaften als offizielle Hymne der EG angenommen.
Bischof Zsifkovics wies "in einer Zeit erstarkender Polarisierung" auf die "tiefere Dimension" der Europahymne hin. Freude bilde den Kern der Schiller-Ode, "die Beethoven in einen Ohrwurm von kolossaler Statur verwandelt hat". Für einen Theologen sei Freude die höchste Stufe des religiösen Glaubens, zugleich "Triebkraft der Welt". Der Bischof ermunterte dazu, sich in Beruf und Leben wieder mehr an der Freude zu orientieren: "Verlieren wir trotz aller Diskussionen und Reizthemen nicht die Freude und den Glauben an Familie und an Menschen, mit denen wir täglich Zeit verbringen: Sie sind es, die unser Leben freudvoll und schön machen!"
Zsifkovics erinnerte aber auch an drei Österreicher, die vor 50 Jahren entscheidend an der Realisierung der Europahymne mitgewirkt haben. Der damalige Generalsekretär des Europarates Lujo Toncic-Sorinj, zuvor Österreichs Außenminister, habe 1971 in einem Brief versucht, den österreichischen Stardirigenten Herbert von Karajan für die Idee einer Europahymne zu begeistern. Rückenwind für dieses Projekt sei auch vom Bundesrats-Mitglied Josef Reichl gekommen, der sich in einem Europarats-Ausschuss vehement dafür einsetzte. Am 19. Jänner 1972 folgte tatsächlich der entsprechende Beschluss des Europarates zugestimmt, womit der künstlerische Auftrag an Karajan ergehen konnte.
Hymne steht für die Vielfalt Europas
Zsifkovics fand zum 50er der Europahymne auch Bezugspunkte zu seiner Arbeit als Bischof für Migration und Flucht: Die Beteiligten an Europas Hymne stünden für "die fruchtbringende kulturelle, ethnische und nationale Vielfalt, die das Erfolgsrezept unseres derzeit so migrationsängstlichen Kontinents ist": Herbert von Karajans Vorfahren stammten ursprünglich aus der früher zum Osmanischen Reich gehörenden, nordgriechischen Provinz Makedonien; Lujo Toncic-Sorinj war Spross eines stellvertretenden k.u.k. Statthalters in Dalmatien. "Sie alle haben durch außergewöhnliche Leistungen unser Land und Europa mitgeprägt", betonte der Burgenlandkroate auf dem Eisenstädter Bischofsstuhl.
Quelle: kathpress