Moraltheologe Weiß: Paare mit Haustier differenziert sehen
Zum Wirbel um die vermeintliche Konkurrenz von Haustieren und Kindern im Leben von Paaren hat sich nun der Salzburger Moraltheologe Andreas-Michael Weiß zu Wort gemeldet. In der Salzburger Kirchenzeitung "Rupertusblatt" (aktuelle Ausgabe) plädierte er dafür, "auf vorschnelle moralische Deutungen", wie die Unterstellung von Egoismus, zu verzichten. Und er wies auf die berechtigte, auch vom kirchlichen Lehramt eingeräumte Gewissensentscheidung von Ehepaaren über die Anzahl ihrer Kinder hin.
Auslöser der zuletzt medial entbrannten Debatte war die kürzlich von Papst Franziskus getätigte Aussage bei einer Audienz vor dem Hintergrund der geringen Geburtenrate in Italien: "Viele Paare haben keine Kinder, weil sie nicht wollen, oder sie haben nur eins - aber sie haben zwei Hunde, zwei Katzen. Ja, Hunde und Katzen ersetzen Kinder."
Papst Franziskus wolle mit "prophetischer Kritik" auf Probleme der heutigen Gesellschaft aufmerksam machen, meinte Weiß. Jedoch: "Zugespitzte Aussagen bilden die differenzierte Wirklichkeit oft einseitig ab und können Menschen verletzen." In diesem Fall seien dies Tierfreunde und kinderlose Paare. "Man sollte diese Einzelaussage nicht überbewerten und sie im Kontext anderer Aussagen verstehen." In Lehrschreiben formuliere der Papst auch korrigierende Gegenthesen.
"Vielleicht ist das die wichtigste Lektion, die wir durch Elternschaft lernen können; der Sinn unseres Lebens liegt nicht im Besitzen, sondern im Dasein für andere", betonte Weiß. Die Sorge um Haustiere könne jedenfalls als Ausdruck "inniger Verbundenheit mit den anderen Wesen in der Natur" die Liebe Gottes zu allen Geschöpfen widerspiegeln, wie in der Enzyklika "Laudato si" zu lesen sei. Damit habe die Tierliebe einen eigenen Wert, solange sie nicht gegen die Sorge um die Mitmenschen ausgespielt wird.
Beim westlichen Trend zu Haustieren sei eine differenzierte Einschätzung durch die empirische Sozialforschung geboten. Oft würden sich Familien für Haustiere entscheiden, damit Kinder Verantwortung für diese übernehmen können, erklärte der Religionspädagoge. Haustiere können Anlass für Bewegung im Freien oder Hilfe gegen Vereinsamung sein. Gründe gegen Kinder seien Überforderung, teurer Wohnraum, mangelnde Unterstützung im Familienverband und bei öffentlicher Kinderbetreuung. Um eine "kinderfreundliche Gesellschaft zu gewährleisten", wären zuerst strukturelle Probleme zu beheben.
Kinderzahl ist Gewissensentscheidung
Zum Thema niedrige Geburtenrate wies Weiß auf die jüdisch-christliche Tradition hin, wonach Kinder als "besonderer Segen Gottes" zu verstehen sind. Das Zweite Vatikanische Konzil spreche Ehepaaren in "Gaudium et spes" menschliche und christliche Verantwortlichkeit zu und lobe die Entscheidung für eine größere Kinderzahl, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Elternschaft bedeute, für das Wohlergehen von Kindern vorbehaltlose Verantwortung zu übernehmen. Das setze eine verantwortungsvolle Selbstprüfung voraus. Das Konzil sei hier klar: "Dieses Urteil müssen im Angesicht Gottes die Eheleute letztlich selbst fällen."
Die Gewissensentscheidungen der Eltern seien "jedenfalls zu respektieren", betonte Weiß: "Denn auch eine große Kinderzahl, etwa in patriarchalischen Gesellschaftsstrukturen, kann mit mangelnder Rücksichtnahme auf Frauen zu tun haben." Papst Franziskus habe selbst darauf hingewiesen, dass nicht eine planlos große Kinderzahl gemeint sei. Dies gelte besonders in einem Zeitalter "enormer Umweltzerstörungen und einer weiter wachsenden Weltbevölkerung".
Undifferenzierte Kritik könne diejenigen verletzen, denen ein Kinderwunsch auf natürlichem Weg versagt bleibt. "Zugleich lehnt das Lehramt der Katholischen Kirche künstliche Methoden der Fortpflanzung kategorisch ab. Das verstehen heute viele Menschen nicht", erklärte der Medizinethiker. Das sorge bei Christinnen und Christen, die medizinische Unterstützung brauchen, für ein schlechtes Gewissen. "Auch hier könnte man sich vom aktuellen synodalen Prozess Korrekturen erwarten."
Andreas Michael Weiß leitet den Fachbereich Praktische Theologie der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Salzburg. Er unterrichtet zudem an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität und der Palliativakademie in Salzburg.
Quelle: kathpress