Freistetter: Religion und Politik aus biblischer Sicht "eng verbunden"
"Wie politisch ist Religion?", dieser Frage geht die Kommission Weltreligionen der Österreichischen Bischofskonferenz heuer in ihrer jährlich stattfindenden "Tagung zur Förderung des interreligiösen Dialogs" nach. Aus biblischer Sicht seien, die Bereiche, "die man heute Religion und Politik nennen würde", jedenfalls "schon deswegen sehr eng miteinander verbunden, weil es beiden um das gute Leben der Menschen in der Gemeinschaft geht", betonte Militärbischof Werner Freistetter am Mittwochmorgen bei seinen Begrüßungsworten zur Fachtagung.
Die Frage nach einem adäquaten Verhältnis von Religion und Politik werde kontrovers diskutiert. Die einen würden der Religion ausschließlich den privaten Bereich zuweisen, fernab aller politischen Sphären. Die anderen sähen gerade in einer politischen Option die Nagelprobe für die Glaubwürdigkeit von Religion, hieß es vonseiten der Weltreligionen-Kommission. Diese richtet die Tagung aus, in Kooperation mit dem Bildungshaus St. Virgil, dem Zentrum Theologie Interkulturell der Religionen der Universität Salzburg sowie der Kirchlich Pädagogischen Hochschule Edith Stein, der Privaten Pädagogische Hochschule Augustinum und dem Referat für Dialog der Religionen der Erzdiözese Salzburg.
Unter den Teilnehmern ist auch der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler (ÖVP), der die Tagung mit einem Vortrag zum Thema "Wie politisch ist die Religion? - eine politische Perspektive" inhaltlich eröffnet. Außerdem referieren u.a. die Innsbrucker Religionswissenschafterin Magdalena Modler-El Abdaoui, der Wiener Theologe Kurt Appel und der Wiener Politikwissenschafter Thomas Schmidinger.
In einer abschließenden Podiumsdiskussion sollen neben Militärbischof Freistetter auch der Wiener Oberrabbiner Jaron Engelmayer, der Präsident der Islamischen Glaubensgemenischaft in Österreich, Ümit Vural, der Generalvikar der Altkatholischen Kirche Österreichs sowie Sher Sing von der Sikh-Glaubensgemeinschaft in Österreich zum Thema "Wie politisch ist Religion" miteinander ins Gespräch kommen.
Gott, der die Herrscher infrage stellt
Für Freistetter ist das geschichtliche Ur-Ereignis des Volkes Israel, der Exodus, "zugleich religiöse Erfahrung wie politische Befreiung", wie er betonte. Das Gesetz als wichtigster religiöser Bezugspunkt habe zudem das Leben in der Gemeinschaft geregelt, wie Gott es für sein Volk vorgesehen hatte. "Die religiöse Legitimierung politischer Herrschaft sowie die Funktionalisierung religiöser Inhalte und Praktiken im Dienst der Aufrechterhaltung politischer Herrschaft kennzeichnen praktisch alle Religionen im Alten Orient", hielt der Bischof fest.
In anderen biblischen Geschichten gehe die Argumentation in eine andere Richtung. Die Legitimation durch Gott diene nicht in erster Linie der Festigung von Herrschaft, sondern zugleich und in viel größerem Ausmaß ihrer Infragestellung, "wenn die politischen Institutionen nicht mehr jene Form des Zusammenlebens befördern können oder wollen, die dieser Gott von seinem Volk erwartet." Jesus beginne sein öffentliches Wirken in den Evangelien mit der Zusage, dass dieser Friede als Gottes Reich angebrochen ist, das mitten unter den Menschen da ist. Die Endgültigkeit seiner Herrschaft über die Welt lasse sich "so wenig für einseitige politische Projekte funktionalisieren, wie das manche schon zur Zeit Jesu tun wollten", so Freistetter.
Auch im Lauf der Kirchengeschichte sei es immer wieder zu Versuchen wechselseitiger Funktionalisierung auf religiöser und politischer Ebene gekommen. Man versuchte, Leitungsmodelle aus der Politik und ein entsprechendes Verständnis von Macht auf kirchliche Strukturen zu übertragen, andererseits griffen politische Leitungsmodelle auch auf christliche Begründungsformen zurück.
Zugleich sei es immer wieder zu Ausbrüchen, Gegenbewegungen und Erneuerungsbestrebungen gekommen, die festgefahrene Positionen im Rückgriff auf die biblischen Traditionen und frühe kirchengeschichtliche Vorbilder zu überwinden suchten. Diese hätten nicht selten, nach einer Zeit durchaus heftiger Auseinandersetzungen, dabei geholfen, die Bereiche von Religion und Politik, Kirche und Staat für die Zukunft neu zu bestimmen. Beispiele seien u.a. die Armutsbewegungen des Hochmittelalters oder die Reformation, aber auch die Entwicklung der Katholischen Soziallehre zur Arbeiterfrage, sowie die Befreiungstheologie, schloss der Bischof. (Info: www.kommissionweltreligionen.at)
Quelle: kathpress