Zulehner: Russische Kirche in dauerhafter Selbstbeschädigung
In der Ukraine wiederholt sich nach Ansicht des Wiener Theologen Paul Zulehner der "kapitale Fehler, den die christlichen Konfessionen nach der Reformation im blutigen Dreißigjährigen Krieg gemacht haben: Sie haben ihre Hände mit dem Blut unzählbar vieler Unschuldiger in Europa befleckt". Schwere Vorwürfe erhebt Zulehner in seinem Blog dabei gegen die vom Moskauer Patriarchen Kyrill angeführte Russisch-orthodoxe Kirche, deren Unterstützung der Politik Putins er als "evangeliumwidriges Handeln einer Kirchenleitung" bezeichnete.
"Sobald die Wahrheit über diesen Krieg ans Licht kommt - und das hat sich in der Geschichte auf die Dauer nie verhindern lassen -, wird auch das ganze Ausmaß der massiven Selbstbeschädigung der Russisch-orthodoxen Kirche sichtbar werden", so die Prognose des Religionssoziologen und Werteforschers. Deren Kirchenleitung erweise der Evangelisierung einer weithin durchatheisierten, nur nominell "orthodoxen" Kultur einen "Bärendienst".
Wie nach dem Dreißigjährigen Krieg in Europa für die rivalisierenden katholische und protestantische Kirchen werde es insbesondere bei den jungen Menschen zu einem nachhaltigen Vertrauensverlust für die russische Kirche kommen. Und wie vor knapp 400 Jahren werden damit auch "Gott in Misskredit gebracht". Es sei "tragisch", dass die Führung der Russisch-orthodoxen Kirche den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg im Namen Gottes rechtfertige, "besonders grausame Einheiten mit Ikonen segnet und im Krieg eine Art Kreuzzug gegen den dekadenten Westen deutet".
Zudem wolle Patriarch Kyrill offenbar die autokephale Orthodoxe Kirche in der Ukraine vernichten, indem er sich an der Vernichtung der Ukraine als eigenem Staat und damit als mögliches kanonisches Territorium beteiligt. Der Protest vieler orthodoxer Bischöfe und Gemeinden im Westen haben dem Patriarchen deshalb die Nennung im Hochgebet verweigert, was laut Zulehner einer Aufkündigung der Kircheneinheit gleichkommt.
"Das Dämonische hat sich breit gemacht"
Die Kriegshandlungen der russischen Truppen in der Ukraine kommentierte der Theologe mit den Worten: "Das Dämonische hat sich in der Welt breit gemacht." Es komme zu unvorstellbaren Kriegsverbrechen an Frauen, Kindern und Alten: "Die Bilder sind derart grausam, dass öffentlich-rechtliche Fernsehstationen sie nicht zeigen; aber sie kursieren in den Sozialen Medien." Der Versuch des Kremls, Zeugnisse dieser Grausamkeiten als von Schauspielern gestellte oder von ukrainischen Kräften begangene Taten umzudeuten, wirke "peinlich, hilflos, aber auch schamlos", schrieb Zulehner. "Gewalt gegen Unschuldige, Gier nach fremden Gebieten und dreiste Lüge gehen miteinander einher."
Quelle: Kathpress