Äbtissin: "Ich verabschiede mich ja nicht von meiner Sexualität"
Beim Zölibat geht es ihr nicht darum, "etwas nicht zu dürfen", sondern darum, "etwas anderes leben zu dürfen": Darauf hat die Äbtissin der Abtei Mariastern-Gwiggen, Maria Hildegard Brem (71), in der Lifestyle-Beilage "Rondo Exklusiv" der Tageszeitung "Der Standard" (29. April) aufmerksam gemacht. Die Ausgabe widmete sich dem Thema Sexualität aus verschiedenen Blickwinkeln und sprach mit der Äbtissin der Vorarlberger Zisterzienserabtei u.a. über die Themen Sexualität, Zölibat sowie auch den Umgang der Kirche mit Missbrauch.
"Ich verabschiede mich ja nicht von meiner Sexualität, sondern lebe sie nur anders", stellte Ordensfrau Brem fest. Für sie stelle sich das in Form einer "tiefen Liebesbeziehung zu Christus, die mir die Kraft gibt, für andere Menschen aufrichtig und wohlwollend und herzlich da zu sein" dar. Obgleich sie einräumte, im Laufe ihres Lebens "eine Sehnsucht nach einem persönlichen, nahen Du, nach einer Partnerschaft" verspürt zu haben. "Ich habe mir schon gedacht und auch gespürt, dass da durchaus etwas sehr Schönes sein könnte. Aber das andere war mir wichtiger."
Sie sei früher "sehr viel, eigentlich fast ständig verliebt gewesen", habe dabei aber keine näheren Beziehungen geknüpft, "weil ich mich fragte, was denn meine wahre Berufung sei", so die Zisterzienserin. "Die Frage lautete, entweder zu heiraten oder mein Leben ganz auf Gott auszurichten." Schon vor ihrem Eintritt ins Kloster im Alter von 26 Jahren habe sie eine sehr intensive Beziehung zu Gott geführt, "er war schon früh die Mitte meines Lebens".
Und doch sei ihr der Schritt nicht leicht gefallen. "Ich hatte an der Universität studiert und dann in Wien und Hollabrunn unterrichtet. Das war wunderbar." Ins Kloster habe sie überhaupt nichts gezogen. "Ich hätte alles andere lieber getan", räumte die Äbtissin ein. Und doch habe sie gespürt, dass sie "nicht in den Frieden komme", wenn sie es nicht zumindest probiere. So habe sie, anfangs für drei Monate befristet, ihr ziviles Leben mit dem des Klosterlebens getauscht, und sei dann geblieben.
Werte der Liebe
Angesprochen auf die gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen in Hinblick auf die Sexualität, sagte Brem, die Kirche habe diesbezüglich früher sehr viel diktiert, "man könnte sogar von einem Korsett sprechen". Heute nähmen dies weit weniger Menschen ernst. "Es herrscht eine gewisse Orientierungslosigkeit und Beliebigkeit. Andererseits beobachte ich, dass viele auch nicht verheiratete Paare mit viel Hingebung, Treue und Verlässlichkeit füreinander da sind." Hier sollte die Kirche nach Brems Empfinden besser hinschauen, "denn da werden viele christliche Werte gelebt. Werte der Liebe."
Beim Thema Missbrauch in der katholischen Kirche sei sie "sehr betroffen und sprachlos im Angesicht der Dinge, die manche Menschen erleben mussten", erklärte die Ordensfrau. Sie treffe auch persönlich "immer wieder Menschen, die diesbezüglich schwer zu tragen haben". Insgesamt plädiere sie für einen globalen und aufrichtigen Umgang mit dem Thema. Es gehe darum, dazu zu stehen und zu sagen, "wir haben da viele Jahrzehnte wirkliche Fehler gemacht". Das würde die Kirche viel glaubwürdiger machen, zeigte sich die Äbtissin überzeugt.
Maria Hildegard Brem wurde 1951 in Wien geboren. Sie studierte an der Universität Wien Mathematik, Philosophie, Psychologie, Pädagogik und Theologie und promovierte 1977 zur Dr. Phil. in Mathematik. Im selben Jahr trat sie in die Abtei Mariastern-Gwiggen in Hohenweiler (Vbg) ein. Zur Äbtissin des Klosters wurde sie am 3. März 2005 gewählt. Sie ist Dozentin für Zisterzienserforschung und Mitglied des Instituts für Spirituelle Theologie und Religionswissenschaft der katholischen privaten Hochschule Heiligenkreuz.
Quelle: kathpress