Ukrainekrieg: Warnung vor Sichtweise als Kampf "Gut gegen Böse"
Eine im Ukrainekrieg zu beobachtende gefährliche Entwicklung ist eine rein moralische Deutung des Geschehens als Kampf "Gut gegen Böse". Dies führe zu Hass auf einen absoluten Feind und entmenschliche diesen, warnte der an der Katholischen Privat-Universität (KU) Linz lehrende Philosoph und Ethiker Max Gottschlich, der auch eine beratende Funktion im Verteidigungsministerium innehat. Auch wenn man gegen jede Aggression mit Nachdruck auftreten müsse, sei es deshalb nicht gerechtfertigt, Russen und Russinnen eine Kollektivschuld zuzuschreiben. Der Experte plädierte für die Aufrechterhaltung von Gesprächskanälen und diplomatischen Initiativen, die die Anerkennung des anderen als Mensch vermittelten.
Isolationspolitik und Waffenlieferungen an die Ukraine würden jedenfalls nicht ausreichen, so Gottschlich. Man dürfe gerade in dieser schwierigen Phase, in der das politische Handeln vor den größten Herausforderungen steht, nicht die Bereitschaft verlieren, sich selbst und sein Handeln mit den Augen des anderen zu betrachten.
Gottschlich äußerte sich im Rahmen der Generalversammlung des Fördervereins "Freunde der Katholischen Privat-Universität Linz", bei der neben den üblichen Vereinsagenden der Krieg in der Ukraine zentrales Thema war, wie es in einer KU-Aussendung am Freitag hieß. Vereinsobmann Klaus Kumpfmüller - er ist Generaldirektor der Hypo Oberösterreich - äußerte sich zu volkswirtschaftlichen Auswirkungen des Angriffskrieges. Sein ungeschminkter Befund: Während zu Jahresanfang 2022 die wirtschaftliche Lage in Österreich mit hohen Beschäftigungsquoten, großen Wachstumsraten und guten Entwicklungen an Aktien- und Finanzmärkten sogar über Vor-Corona-Niveau war, habe der 24. Februar 2022 - als die russische Invasion begann - alles geändert.
Krieg mindert Wohlstand in Europa
Die Verflechtungen der österreichischen Wirtschaft mit der Ukraine, aber besonders auch mit Russland seien so hoch, dass von einem Wohlstandsverlust ausgegangen werden muss, so Kumpfmüller. Die starke Betroffenheit ganz Europas bedeute auch einen enormen Wettbewerbsnachteil gegenüber den USA. Ein Stopp der Gaslieferungen würde für Österreich eine dramatische Situation vergleichbar dem Lockdown im März 2020 herbeiführen, sagte der Ökonom.
In der anschließenden Diskussion unterstrich OÖ-Landesrat Markus Achleitner, dass man trotz der klaren Verurteilung des Krieges die Brücken nicht völlig abbrechen dürfe und eine Gesprächsbasis erhalten müsse - auch, um weiterhin Handlungsoptionen zu haben. Beängstigend sei, dass sich die Eskalationsschraube immer noch weiterdrehe und momentan kaum erkennbar sei, wie man dies unterbrechen könne.
Der Rektor der KU Linz, Christoph Niemand, blickte auf Projekte voraus, die aus den Spenden der "Freunde der KU Linz" finanziert werden sollen, namentlich die personelle Ausstattung von Forschungsprojekten, bedarfsorientierten Studienangeboten und die Unterstützung des als mehrteilige öffentliche Veranstaltungsreihe angelegten Jubiläums "350 Jahre KU Linz" im Studienjahr 2022/23.
Quelle: kathpress